Was der Wohnort mit dem Herzinfarktrisiko zu tun hat

Was der Wohnort mit dem Herzinfarktrisiko zu tun hat
In Wien erleiden Frauen aus ärmeren Bezirken um 5,6 Jahre früher einen Infarkt als Frauen in reichen Bezirken. Bei Männern ist es anders.

Menschen, die in finanziell schlechter gestellten Grätzeln leben, erleiden Herzinfarkte früher als Bewohner wohlhabenderer Bezirke. Das zeigen österreichische Forscher anhand von Wien. Die im Fachblatt BMJ Open veröffentlichten Studie belegt, dass Frauen aus reicheren Bezirken im Schnitt mit 70,2 Jahren von einen Herzinfarkt betroffen sind, jene aus ärmeren Stadtteilen schon mit 64,6 Jahren. Bei Männern ist der Unterschied mit 60,2 bzw. 57,3 Jahre etwas kleiner. Weil ärmere Bezirke eine im Schnitt jüngere Bevölkerung haben, sei noch weitere Forschung notwendig, betonen die Wissenschafter.

Geringere Ärztedichte

Mit einem gesunden Lebensstil, etwa ausgewogene Ernährung und viel Bewegung, lässt sich das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen - die häufigste Todesursache in westlichen Ländern - deutlich senken. Doch auch das soziale Umfeld beeinflusst die Gesundheit. So ernähren sich Menschen mit geringem Einkommen häufig nicht gesund. Und sie leben oft in Gegenden mit nicht gut ausgebauter medizinischer Infrastruktur, etwa einer geringeren Ärztedichte.

Lohnsteuerstatistik als Datenbasis

Die Bevölkerungsökonomin Sonja Spitzer vom Institut für Demographie der Universität Wien hat gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), des AKH Wien und des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse (IIASA) den Zusammenhang zwischen dem Alter von Herzinfarktpatienten, der Überlebensdauer nach Herzinfarkten und dem Durchschnittseinkommen in Wiener Gemeindebezirken analysiert. Dazu nutzten sie Daten aus der Lohnsteuerstatistik, mit denen sie die Bezirke in drei Kategorien (hohes, mittleres und niedriges Durchschnittseinkommen) einteilten.

Langzeitstudie über 19 Jahre

"Damit lässt sich das sozioökonomische Umfeld der Bezirke gut beschreiben, weil das Einkommen eng mit anderen Variablen wie Bildung, Gesundheitsvorsorge etc. zusammenhängt", erklärte Spitzer. Diese Informationen verknüpften sie mit krankenhausbasierten Beobachtungsdaten von Herzinfarktpatienten des AKH und dem Sterberegister. Dadurch konnten sie die Überlebensverläufe von 1.065 Herzinfarkt-Patienten und 416 -Patientinnen über einen Zeitraum von 19 Jahren untersuchen; Die Daten stammten aus 2000 bis 2018.

Altersstruktur der Bezirke berücksichtigen

Bei der Frage, wie schnell Patienten nach einem Herzinfarkt sterben, zeigten sich keine Unterschiede zwischen den Bezirken. "Überraschendes 'Nebenergebnis' unserer Arbeit war aber, dass Patientinnen und Patienten aus ärmeren Bezirken in jüngeren Jahren einen Herzinfarkt zu erleiden scheinen", sagte Spitzer. Hier sei aber weitere Forschung notwendig, weil diese Bezirke auch deutlich jünger sind. Deshalb wollen sie herausfinden, ob das Alter der Patienten mit der Altersstruktur der Bezirke zusammenhängt.

Unterschiede nach Wohngegend und Geschlecht

Der Unterschied zwischen den laut Studie Wiener Gemeinde-Bezirken mit niedrigem Durchschnittseinkommen (5., 10., 11., 12., 15., 16. und 20. Bezirk) und jenen mit hohem Durchschnittseinkommen (1., 4., 8., 13., 18., 19. und 23. Bezirk) lag bei den Männern bei 2,9 Jahren und bei den Frauen bei 5,6 Jahren.

Vorsorge intensivieren

"Wenn Menschen aus ärmeren Bezirken früher im Leben einen Herzinfarkt erleiden, ist das besorgniserregend und sollte weiter wissenschaftlich wie gesundheitspolitisch berücksichtigt werden. Vor allem sollte man hier verstärkt auf Gesundheitsvorsorge und Gesundheitskompetenz setzen", erklärte Co-Autorin Vanessa Di Lego von der ÖAW.

Frauen anders behandelt als Männer

Die Forscher haben sich auch angesehen, wie schnell und woran weibliche Herzinfarktpatientinnen im Vergleich zu männlichen Patienten sterben. Grundsätzlich haben Frauen eine höhere Lebenserwartung als Männer. Das gilt auch für die Todesursachen "koronare Herzkrankheit" (Durchblutungsstörung des Herzmuskels aufgrund chronisch verengter Herzkranzgefäße) und "anderen Todesursachen".

Ein solcher Überlebensvorteil scheint aber nicht für die Diagnose "akutes (also nicht chronisches, Anm.) Koronarsyndrom" (v.a. Herzinfarkt) zu gelten. Dies könne auf mögliche Nachteile in der Diagnose und Behandlung für Frauen hinweisen, die verbessert werden sollten, schreiben die Wissenschafter.

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