Warum es keine „gesunde Sonnenbräune" gibt

Während auf dem Videoportal Tiktok neuerdings Trendsetter mit gespreitzen Beinen zur Bräunung der Genitalien aufrufen, warnen Mediziner vor den krank machenden Folgen der UV-Strahlung. Denn trotz jahrzehntelanger Aufklärungskampagnen unterschätzen Sonnenanbeter zwischen Großbritannien und Russland immer noch die Gefahren des glühenden Gestirns. Acht von zehn Europäer sind der Meinung, dass Bräune attraktiv ist, fast ebenso viele, nämlich 73 Prozent, halten getönte Hauf für gesund. Das geht aus einer globalen Studie hervor, die nun bei 31. Kongress der Europäischen Akademie für Dermatologie und Venerologie (EADV) in Mailand vorgestellt wurde. Dabei ist wissenschaftlich längst gesichert, dass ein Zuviel an Sonne mit der Entstehung von Hautkrebs und Hautalterung zusammenhängt.
Mythen zum Sonnenbaden halten sich hartnäckig; darunter etwa der Glaube, dass Sonnenschutz bei bewölktem Wetter nicht erforderlich oder bei vorgebräunter Haut überflüssig sei. Doch auch besseres Wissen führt nicht immer zu angemessenem Handeln: Obwohl sich 92 Prozent der Europäer der Risiken der Hautalterung durch die Sonne bewusst sind (86 % außerhalb Europas), geben 84 Prozent von ihnen zu, dass sie sich nicht das ganze Jahr über schützen (79 % außerhalb Europas).
Befragung in 17 Ländern weltweit
Der US-amerikanische Dermatologe Thierry Passeron kommentiert die Ergebnisse der breit angelegten Studie so: „Diese Untersuchung zeigt, wie sehr sich der Mythos der ‚gesunden' Bräune verfestigt hat - selbst bei Menschen, die bereits Sonnenschäden erlitten oder Hautkrebs entwickelt haben." Für die Umfrage hatten La Roche-Posay Laboratoires und IPSOS die Meinungen von 17.000 Personen aus 17 Ländern eingeholt, darunter 6.000 Personen aus dem Vereinigten Königreich, Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und Russland.
Die Ergebnisse zeigten nicht zuletzt, dass nur 56 Prozent der Europäer wissen, dass Sonnenschutz bei bewölktem Wetter nützlich ist (gegenüber 64 % außerhalb Europas), jeder Vierte (24 %) hielt es für sicher, ohne Sonnenschutz ins Freie zu gehen, wenn er bereits gebräunt war (gegenüber 21 % außerhalb Europas).
Sonne schädigt Hautzellen nachhaltig
„Wir müssen das Bewusstsein für die Schädigung der Hautzellen durch Sonneneinstrahlung schärfen, die zu Lichtalterung und Hautkrebs führen kann. Dies ist besonders wichtig in Europa, wo der Sonnenschutz im Vergleich zu anderen Ländern am unzureichendsten erscheint", sagt Experte Passeron.
Europäer besonders schlecht aufgeklärt
Nur 1 von 10 (10 %) der Europäer gab an, routinemäßig oder häufig alle Formen des Sonnenschutzes zu verwenden, wie das Auftragen von Sonnenschutzmitteln, den Aufenthalt im Schatten, das Tragen eines Hutes und von Schutzkleidung das ganze Jahr über, verglichen mit 14 Prozent der Menschen außerhalb Europas.
Die Befragten aus außereuropäischen Ländern, darunter Nord- und Südamerika, Afrika, Ozeanien und Asien, waren etwas weniger begeistert von der Sonnenbräune als die Europäer. 67 Prozent sagten, dass eine Bräune attraktiv sei, und 59 Prozent glaubten, dass eine Bräune gesund sei.
Aufklärung auch in Österreich notwendig
"Extreme und intensive Sonnenbestrahlung spielt einen wesentlichen Faktor bei der Entstehung von Hautkrebs", warnt denn auch die österreichische Krebshilfe. Ein vernünftiger Umgang mit der Sonne sei daher unverzichtbar; selbst im Herbst.
Nicht nur im Urlaub, auch im Alltag schützen
"Die beste Vorsorge im Kampf gegen den Hautkrebs ist die Vermeidung von extremer Sonnenbestrahlung - das bedeutet Sonnenschutz durch Sonnencremen, Kleidung und Schatten“, sind Experten einig. "Vielen Menschen ist dies im Urlaub zwar bewusst, sie vergessen aber oft im Alltag auf den passenden Sonnenschutz.“
Die Kampagne "Sonne ohne Reue" empfiehlt:
- Mittagssonne - nein danke! Von 11 bis 15 Uhr lieber im Schatten bleiben.
- 3 x H hilft. Hut, Hemd und Hose aus dichtgewebten Materialien schützen.
- Creme de la Typ. Der persönliche Hauttyp bestimmt den Lichtschutzfaktor (LSF):Hauttyp I: rothaarig, Sommersprossen, helle Haut, helle Augen - LSF 50+ Hauttyp II: blond, blauäugig, helle Haut - LSF 30 - 50 Hauttyp III: brünett, helle bis hellbraune Haut - LSF 20 - 25 Hauttyp IV: dunkelhaarig, olive bis dunkelbraune Haut, braune Augen - LSF 15 - 20.
- Indirekte Sonne - direkte Wirkung. Im Schatten oder bei Bewölkung: 50 % Sonnenintensität. Wasser, Sand, Schnee und andere reflektierende Umgebung: Bis zu 85 % mehr!
- Sonnenbrand „löschen“. Bei leichten Rötungen: Kühlende Salben aus der Apotheke oder Naturprodukte. Starke Rötung oder Blasenbildung: Unbedingt ärztliche Untersuchung.
- Kinder unter drei Jahren sollten überhaupt nicht der direkten Sonne ausgesetzt werden. Der beste Schutz für sie ist Schatten und Kleidung aus UV-undurchlässigem Material sowie Kopfbedeckung, Nackenschutz und Schuhe. Hände, Gesicht, Ohren und Nacken sollten mit Sonnencremes mit höchstem Lichtschutzfaktor geschützt werden.
Kontrolle daheim und beim Arzt
Doch nicht nur das richtige Sonnenbad vermeidet Hautschäden, als zweite Säule kann die Selbstkontrolle der Haut vor schlimmen Erkrankungen vorbeugen. Beobachtung rettet Leben. 90 Prozent aller Hautkrebsfälle sind bei Früherkennung heilbar. Wenn sich also Muttermale verändern, sind sie verdächtig. In diesem Stadium sollte keine Zeit versäumt werden und sofort der Hautarzt aufgesucht werden. Besonderes aufmerksam sollten hellhäutige Typen sein. Erhöhtes Risiko besteht zudem bei einschlägigen Erkrankungen in der Familie und vorwiegendem Aufenthalt im Freien.
Die regelmäßige Hautkontrolle durch den Arzt ist die dritte Vorsorgesäule.
Nicht zuletzt ist Vorsicht mit künstlicher Bräune geboten. So warnt etwa die Weltgesundheitsorganisation WHO vor Solarien und stuft die Bestrahlung durch bestimmte technische Geräte als potenziell krebserregend ein.
Genitalbräunung bleiben lassen
Von der Genitalbräunung, die - über soziale Medien verbreitet - immer mehr Anhänger findet, halten Experten naturgemäß wenig. Während die Tiktoker von "better vibrations", also von guter Laune, schwärmen, und eine Wärme beschreiben, die nach 30 Sekunden Damm-Besonnung den ganzen Tag anhält, raten u.a. Gynäkologen von den Verrenkungen Richtung Sonne ab: Es gebe keinerlei wissenschaftliche Beweise, die eine positive Wirkung belegen würden. Vielmehr steige die Gefahr, bösartige Muttermale im Intimbereich zu entwickeln. Auch ein Sonnenbrand an der emfindlichen Stelle sei extrem schmerzhaft.
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