Anthroponose: Warum der Mensch so manche Tierarten richtig krank macht
Seit der Pandemie weiß fast jeder: Das Coronavirus ist wahrscheinlich von Fledermäusen oder Schuppentieren auf den Menschen übergesprungen. Im Wissenschaftssprech nennen das Fachleute Zoonose. Dass es auch den umgekehrten Infektionsweg gibt ist schon weniger bekannt. Oder kennen Sie das Metapneumo-Virus? Es verursacht tödliche Atemwegserkrankungen bei Schimpansen in Gefangenschaft und wurde von Menschen auf ein Tier übertragen. Im Wissenschaftssprech Anthroponose genannt.
Jetzt berichtet ein Forschungsteam im Fachjournal Nature Ecology & Evolution, dass Menschen weit mehr Viren an Haus- und Wildtiere weitergeben, als sie sich bei ihnen einfangen. Als Gründe haben die Wissenschafter die zunehmende Bevölkerungsdichte und das Vordringen des Menschen in bisher unerschlossene Gebiete ausgemacht. Beides erhöhe das Risiko für solche Übertragungen.
Die Gruppe um Cedric Tan vom University College London (UCL) hat fast zwölf Millionen virale Erbgutsequenzen untersucht, um zu rekonstruieren, welche Viren von einem Wirt auf eine andere Wirbeltierart übergesprungen sind. Den Ergebnissen zufolge gab es etwa doppelt so viele Sprünge vom Menschen auf Tiere (Anthroponose genannt) als von Tieren auf Menschen.
Von den 599 identifizierten Wirtssprüngen wurden 64 Prozent als anthroponotisch gewertet. Zum Beispiel seien Sars-CoV-2 und Influenza A mehrfach auf Nutztiere oder in Gefangenschaft lebende Wildtiere übertragen worden. Häufig nachzuweisen waren zudem Wirtssprünge von Tier zu Tier. Dazu UCL-Mitautor François Balloux: „Wir sollten den Menschen nur als einen Knotenpunkt in einem riesigen Netzwerk von Wirten betrachten, die endlos Krankheitserreger austauschen, und nicht als eine Senke für zoonotische Erreger“.
Apropos: Wenn Sie sich jetzt fragen, welche zoonotischen Erreger – also Krankheiten mit Ursprung im Tierreich – es neben Covid-19 noch gibt:
- Ebola
- Grippe
- Masern
- Pocken
Bisher wurde dieser als Spillover bekannte Prozess vor allem für den Menschen untersucht: „Ein solcher Spillover in einer Nutztierpopulation könne sich auch auf die Lebensmittelsicherheit auswirken – etwa, wenn viele Tiere getötet werden müssten, um die weitere Ausbreitung einzudämmen. Zudem würden sich Viren bei Wirtssprüngen oftmals verändern. Das belege, dass Viren sich anpassen müssen, um neue Wirte gut nutzen zu können.
Aussagekräftiges Erbgut
Bei Viren, die bereits viele Tierarten infizieren, seien die Veränderungen bei einem neuen Sprung geringer – ein Virus mit breitem Wirtsspektrum verfüge dann anscheinend schon über viele der für eine Anpassung nötigen Eigenschaften, folgern die Forschenden. Allerdings könne sich das Gesamtbild noch deutlich ändern, wenn das Erbgut von wesentlich mehr Viren erfasst sei, meinen die Studienautoren. Die bisherigen Sequenzen gäben nur einen winzigen Bruchteil der existierenden Wirbeltier-Viren wieder. Vor allem das Ausmaß der Sprünge zwischen Tierarten werde sicher noch weit unterschätzt. Schenke man diesen Übertragungen mehr Beachtung, könne das womöglich auch helfen, künftige Pandemien zu verhindern.
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