Vierter Stich: Zeitpunkt ist wichtiger als Frage des Impfstoffs

Anfang der Woche erteilte die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) einem weiteren Omikron-Impfstoff grünes Licht. Ein anderer adaptierter Booster wird bereits in den kommenden Tagen zur Verfügung stehen. Soll man für den vierten Stich auf die neuen Impfstoffe warten – oder sich gleich impfen lassen? Auch wenn die Zulassung für den 4. Stich ab 12. Jahren vorliegt, halten es manche Experten für sinnvoller, noch abzuwarten. Das betonte etwa vor wenigen Tagen der Virologe Florian Krammer.
Worauf es ankommt, erklärt die Impfspezialistin Ursula Wiedermann-Schmidt, Leiterin des Instituts für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der MedUni Wien. Höchste Priorität habe derzeit, die Grundimmunisierung – also die dritte Impfung – abzuschließen. „Ein relativ hoher Prozentsatz an Kindern und jungen Erwachsenen, cirka 80 Prozent, hat diese noch nicht.“ Für diesen Teil der Immunisierung kommen sowohl ursprüngliche als auch angepasste Vakzine in Frage. „Im richtigen Zeitabschnitt (vier bis 6 Monate nach der letzten Impfung oder nach einer Genesung, Anm.) zu impfen ist wichtiger als die Frage des Impfstoffs.“
Wer sollte sich jetzt den vierten Stich holen?
Wiedermann-Schmidt: „Bevorzugt über 60-Jährige und Risikopersonen mit erhöhtem Risiko für schwere COVID-Erkrankungen (z. B. chronisch Kranke, Personen mit geschwächtem Immunsystem), deren letzte Impfung vier bis sechs Monate zurückliegt. „In Studien haben wir gesehen, dass dann der Immunschutz in dieser Gruppe abnimmt“, sagt Wiedermann-Schmidt. Ebenso zählt Gesundheits- und Pflegepersonal aufgrund seiner erhöhten Exposition zu dieser Gruppe. „Die letzte Impfung sollte bei diesen (meist jüngeren) Personen jedenfalls sechs Monate zurückliegen.“ Und: „Besonders bei jenen, die noch keine Omikroninfektion hatten, macht auch ein angepasster Impfstoff Sinn.“ Die anderen/ jüngere Personen können – da bin ich mit Florian Krammer einer Meinung – noch warten. Dennoch gilt immer für Impfwillige: „Jeder, der sich impfen lassen möchte, kann sich auch impfen lassen“ und sollte an Impfstellen nicht abgewiesen werden.
Was können die neuen Impfstoffe?
Sie sind an die besonderen Merkmale einer bestimmten Variante angepasst. „Die Variantenimpfstoffe dürften gegen die jeweilige Variante besser schützen.“ Eine angepasste Version des originalen Vakzines Comirnaty (BioNTech/Pfizer), die zusätzlich auch gegen die Virusvariante Omikron BA.1 gerichtet ist, wurde diese Woche in Österreich ausgeliefert. Für ein weiteres Vakzin gegen die Varianten BA.4 und BA.5 gab die Europäische Arzneimittelbehörde am Montag grünes Licht. Dieser Impfstoff könnte auch bald verfügbar sein.
Ist die Wirksamkeit dieser Impfstoffe höher?
Die Expertin warnt einmal mehr vor zu hohen Erwartungen. „Einen COVID Impfschutz, der zu hundert Prozent eine Ansteckung verhindert, wird es mit den derzeitigen Impfstoffen nie geben. Man darf nicht mehr erwarten, als ein Impfstoff liefern kann.“ Im Fokus steht bei SARS-CoV-2-Impfstoffen, schwere Erkrankungen, Spitalsaufenthalte und Todesfälle zu verhindern. „Das funktioniert sehr gut, wie sich bisher gezeigt hat.“ Die Impfung reduziere ebenso das Risiko von chronischen Verläufen, wie Long Covid.“
Schützen die angepassten Impfstoffe auch vor zukünftigen Varianten?
Eine bereits erfolgte Impfung mit einem der bisher verfügbaren Impfstoffe schütze schlecht vor einer Infektion mit einer neuen Variante – das hängt aber auch von der Variante ab, sagt Wiedermann-Schmidt. Die Grundintention, schwere Erkrankungen zu verhindern, erfüllen aber auch vorhandene Vakzine.
Die Umstellung auf ein Impfschema ähnlich der Grippeimpfung hängt von weiteren Mutationen des Virus ab. Zuletzt sagte der US-Chef-Virologe Anthony Fauci im britischen Guardian, ohne solche bewege man sich in diese Richtung – „mit jährlich aktualisierten Covid-19-Impfungen, die auf die derzeit zirkulierenden Stämme für den Großteil der Bevölkerung abgestimmt sind.“ Auch Wiedermann-Schmidt kann sich ein ähnliches Szenario vorstellen. „Möglicherweise werden dann auch aggressive Varianten weniger häufig und nicht jedes Jahr auftreten.
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