Messbare Effekte: Ansehen von Erkältungsvideos macht Immunabwehr mobil

Ältere Frau hustend oder niesend.
Schon der videovermittelte Anblick von erkälteten Menschen bringt die Immunabwehr auf Touren, zeigt eine Studie. Ekel und Angst spielen eine Rolle.

In der Erkältungszeit haben im Fernsehen Werbungen für allerhand lindernde Arzneien Hochsaison. Schnupfende, hustende, von Kopf- und Gliederschmerzen geplagte Menschen mit wunden Nasen werden wie von Zauberhand von ihren Beschwerden befreit.

Forscherinnen der Universität Hamburg haben nun den wissenschaftlichen Nachweis dafür erbracht, dass allein der Anblick einer kränkelnden Person eine immunaktivierende Wirkung haben kann.

Aktivere Hirnregionen bis veränderter Speichel

In zweierlei Hinsicht: Zum einen zeigte sich, dass der Konsum von Videoinhalten erkälteter Menschen eine verstärkte Aktivität in Gehirnregionen provoziert, die mit dem Immunsystem verbunden sind. Zum anderen konnte auch im Speichel eine erhöhte Antikörperkonzentration gemessen werden. 

Die Biologinnen Esther Diekhof und Judith Keller baten 62 Testpersonen – 32 Frauen und 30 Männer im mittleren Alter von 25 Jahren – sich kurze Videos zu Gemüte zu führen. Die Bewegtbilder zeigten entweder ansteckende oder nicht ansteckende Alltagssituationen – sprich, Personen mit oder ohne Krankheitsanzeichen. 

Mittels Magnetresonanztomografie wurde währenddessen die Gehirnaktivierung gemessen, parallel dazu die Freisetzung von sekretorischem Immunglobulin A im Speichel. Immunglobulin A stellt den größten Teil der im Körper produzierten Antikörper dar und wird vorwiegend auf Schleimhäuten und unter anderem im Speichel freigesetzt. Vor allem in den Atemwegen spielt Immunglobulin A eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Krankheitserregern.

Ekel und wahrgenommene Ansteckungsgefahr

Es zeigte sich: Die Wahrnehmung von niesenden und kranken Personen aktivierte – im Vergleich zu nicht ansteckend wirkenden Akteuren – die vordere Insula und andere Regionen der neuroimmunen Achse im Hirn in stärkerem Ausmaß. Das Areal der Insula spielt eine wichtige Rolle als Vermittler zwischen Gehirn und Immunsystem. Der Konsum führte auch zu einer erhöhten Freisetzung von Immunglobulin A im Speichel.

Interessant: Die neuronale Aktivierung stand im Zusammenhang mit zwei Faktoren – einer erhöhten Antikörperkonzentration im Speichel und dem beim Videokonsum empfundenen Ekel wie auch der wahrgenommenen Ansteckungsgefahr

Unterdessen konnte in der Amygdala, die im Gehirn an der Entstehung von Emotionen wie Angst beteiligt ist und dem Menschen hilft, potenzielle Gefahren zu erkennen und schnell darauf zu reagieren, bei allen Videos eine gesteigerte Aktivität gemessen werden, ganz gleich, ob gesunde oder kranke Menschen darin vorkamen. 

Dies deute "auf eine unspezifische Wachsamkeit gegenüber der Anwesenheit von Menschen hin", formulieren es die Forscherinnen in ihrer Studie im Fachblatt Brain, Behavior and Immunity. Die Amygdala könnte als Alarmsystem für soziale Situationen mit erhöhtem Übertragungsrisiko fungieren.

Gegen Erreger wappnen

Die nachgewiesene "proaktive Neuroimmunreaktion könnte dem Menschen helfen, mit Ansteckungsrisiken umzugehen, die sich nur schwer vermeiden lassen, indem Gegenmaßnahmen aktiviert werden, die den Organismus auf die Erregerbelastung vorbereiten", betonen die Autorinnen.

Krankheitserreger der Atemwege, die durch Niesen, Sprechen oder Atmen freigesetzt werden, seien im Alltag schwer zu umgehen und würden eine ständige Bedrohung in sozialen Gefügen darstellen. Welche schützenden Maßnahmen im Körper getriggert werden, um sich gegen Ansteckungsgefahren zu wappnen, sei daher von Interesse. 

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