Startup für Kinderwunsch-Präparat: „Fordert die Ärzte heraus!“

Claudia Gessler-Zwickl
Claudia Gessler-Zwickl war CEO bei Lead Horizon und gründete nun ein Start-up, um die Fruchtbarkeit zu verbessern - bei Frauen und Männern.

Mit der Diagnose Unfruchtbarkeit gab sich Claudia Gessler-Zwickl nicht zufrieden. Die ehemalige Lead Horizon-CEO las sich in wissenschaftliche Studien ein und fand heraus, dass Mikronährstoffe die Fruchtbarkeit fördern können. Sie nahm 15 Präparate täglich zu sich – heute ist die 39-Jährige Mutter einer kleinen Tochter und hat das Unternehmen Fertilabs gegründet. Mit Vilavit, das mit Kinderwunsch-Experten konzipiert wurde, bietet sie All-in-one-Präparate, die Qualität von Eizellen und Spermien fördern sollen.

KURIER: Sie haben Fertilabs aus eigener Betroffenheit gegründet: Wie sehr ist das Thema Kinderwunsch noch ein Tabu?

Claudia Gessler-Zwickl: Es ist erschreckend, wie viele Leute betroffen sind und sich nicht trauen darüber zu reden. Unerfüllter Kinderwunsch ist mit so viel Scham und Stigma verbunden. Ich habe mich damals einer Freundin anvertraut, die mich an eine weitere Freundin verwiesen hat und am Ende habe ich mit einer wildfremden Person gesprochen. Das hat mir so viel Kraft und Mut gegeben. Unser Ziel bei Fertilabs ist, Aufklärungsarbeit zu leisten und das Tabuthema unerfüllter Kinderwunsch endlich zu enttabuisieren. 

➤ Mehr dazu: Unerfüllter Kinderwunsch: Wenn's nicht klappt

Nicht jedes Paar mit Kinderwunsch denkt gleich daran Mikronährstoffe zu nehmen. Woher weiß man, welche Supplemente man braucht?

Mein Frauenarzt hat damals gesagt, versuchen Sie einmal 12 Monate schwanger zu werden und hat sich mit dem Thema nicht näher auseinandergesetzt. Frauenärzte sind auch nicht die Experten für Kinderwunsch – das wird oft falsch gesehen, dass alle Frauenärzte gut ausgebildet sind, was dieses Thema anbelangt. Uns hat die Diagnose Unfruchtbarkeit erst zu einem Kinderwunschzentrum geführt. Wir haben die Ärzte herausgefordert „out-of-the-box“ zu denken, um alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Chance auf eine Schwangerschaft zu erhöhen.

Am Markt gibt es ja schon einige Präparate, die für Kinderwunsch konzipiert wurden – warum reichen die nicht aus?

Es gibt verschiedene Gründe: Wir beinhalten alle relevanten Nährstoffe, die die Eizell- oder Spermienqualität unterstützen und sie vor oxidativem Stress schützen. Im Vergleich mit herkömmlichen Präparaten haben wir über zehn Nährstoffe mehr. Zweitens sind unsere Nährstoffe von hochwertiger bioverfügbarer Qualität. Kein einziges Produkt enthält etwa Ubiquinol, die bioaktive Form von Coenzym Q10. Dies ist aber essenziell für die Eizellreifung ist. Der dritte Punkt ist die Dosierung: Wir haben eine ausreichende Dosierung, um eine Wirkung zu erzeugen. Viele Produkte zielen darauf ab nur eine Kapsel am Tag zu verabreichen. Man benötigt aber mehr Nährstoffe als in eine einzige Kapsel passen.

Was heißt bioverfügbar?

Der Körper kann es aufnehmen, ohne die Wirkstoffe umwandeln zu müssen.

Das Thema Fruchtbarkeit wird noch immer oft an die Frauen abgeschoben, doch das Problem kann auch beim Mann liegen. Deshalb haben Sie eigene Präparate für Frauen und für Männer im Angebot: Ist die Nachfrage nach beidem gleich groß?

Wir sehen schon, dass der erste Ansatz klar bei der Frau ist. Frauen gehen zuerst zum Gynäkologen, wenn eine spontane Schwangerschaft nicht einsetzt. Erst im zweiten Schritt und oft viel zu spät wird der Mann durchgecheckt. Das heißt, wir sehen eine höhere Nachfrage im weiblichen Produkt, obwohl männliche Vorbelastungen in rund 40% der Fälle ausschlaggebender Faktor für unerfüllten Kinderwunsch sind.

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Die Eizellqualität nimmt ab dem 35. Lebensjahr stark ab, was können Frauen über Nahrungsergänzungsmittel hinaus tun, um ihre Fruchtbarkeit zu unterstützen?

Da gibt's viele Punkte: Prinzipiell gesunde Ernährung – da gibt es etwa die Harvard Fertility Diet: Ein Großteil wird über die Ernährung abgedeckt, aber ein Teil muss über Mikronährstoffe zugeführt werden.  Es gehört auch ein aktiver Lebensstil mit viel Bewegung dazu, Übergewicht ist beim Kinderwunsch nicht förderlich. Ein großes Thema in der heutigen Zeit ist  Stress. Der wirkt sich negativ auf die Fruchtbarkeit aus und sollte vermieden werden.

Die Spermienqualität von Männern ist in den vergangenen Jahrzehnten immer schlechter geworden. Was kann Mann hier tun?

Auch hier können Männer über Ernährung und über gesunden Lebensstil erreichen, dass die Spermienqualität besser wird. Zusätzlich können eben Mikronährstoffe zur Förderung der Fruchtbarkeit beitragen. Heiße Bäder, Saunagänge und heiße Temperaturen generell sollte man eher vermeiden. Enge Hosen sind auch ein Thema. Und für beide gilt, dass der Kontakt mit Umweltschadstoffen, Pestiziden, Lösungsmitteln etc. vermieden werden sollte.

Fast jedes sechste Paar in Österreich ist ungewollt kinderlos – das betrifft rund 30.000 Paare. Eine künstliche Befruchtung ist für viele ohne Unterstützung nicht leistbar. Der IVF-Fonds übernimmt 70 Prozent der Kosten einer künstlichen Befruchtung (in-vitro-Fertilisation) aber nur für Frauen bis zum Alter von 40 Jahren. Nachdem Frauen immer später Kinder bekommen: Finden Sie diese Altersgrenze noch zeitgemäß?

Absolut nicht. Aus meiner Sicht benötigen wir eine Petition, damit diese Altersgrenze aufgehoben wird. Es gibt überhaupt keinen Grund, warum Frauen über 40 keine Unterstützung vom Staat bekommen sollten, um den Wunsch eines eigenen Kindes zu erfüllen.

Ihr Rat zum Schluss?

Ärzte haben für das Patientengespräch im Schnitt sieben Minuten Zeit, deswegen ist es wichtig gut vorbereitet zu den Terminen zu gehen. Informiert euch, fordert die Ärzte raus und sucht euch emotionale Unterstützung!

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