Soll Österreich die Suche nach Coronaviren in Kläranlagen ausbauen?

Soll Österreich die Suche nach Coronaviren in Kläranlagen ausbauen?
Manch heimischer Experte will nach dem Aus von Tests an Schulen das Abwasser-Monitoring intensivieren - so wie andere Länder.

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie setzt das Gesundheitsministerium auf verschiedene Maßnahmen. Ein wichtiger Hebel ist das Abwassermonitoring. Es soll - wie kürzlich bekannt gemacht wurde - bestehen bleiben. Doch die Probenentnahme an Schulstandorten entfällt mit Beginn der Sommerferien. Führende Experten sprechen sich aber für den Ausbau des Überwachsungssystems aus.

Österreichweites Monitoring über 24 Kläranlagen

Derzeit werden kontinuierlich Proben aus den 24 größten Kläranlagen Österreichs entnommen und auf Spuren des Coronavirus untersucht. Die Analyse liefert einen breitflächigen Überblick über das Fallgeschehen, die Sequenzierung gibt zudem Aufschluss über die Variantenlage zwischen Boden- und Neusiedler See. Auf diese Weise wird eine Bevölkerungsabdeckung von rund 52 Prozent erreicht.

Dieser Monitoringumfang reicht aus, um die Vorgaben der EU zu erfüllen und somit ein für Österreich repräsentatives Lagebild zu erstellen, heißt es aus dem Gesundheitsministerium. Das Programm in der aktuellen Form besteht seit Jänner 2022 und ist für eine Laufzeit von vier Jahren angesetzt. Auslaufen wird dagegen mit Sommer ein Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung, das an Schulstandorten zusätzliche Abwasser-Untersuchungen vorsah.

Kritik von heimischen Experten

Heimische Experten kritisieren dieses Aus. So betont etwa Andreas Bergthaler gegenüber der APA, wie wichtig das Abwassermonitoring an Schulstandorten nach dem Zurückfahren der PCR-Tests ist, um weiter einen möglichst guten Überblick zu behalten; er fordert, das erfolgreiche System zu erweitern. In Ländern wie Kanada oder Deutschland werde dieser Bereich derzeit ausgebaut, sagt der Molekularbiologe.

Im Rahmen des Schulstandortmonitorings wurden über das Schuljahr hinweg österreichweit aus mehr als 100 kleineren Kläranlagen mit Schulen im Einzugsgebiet zweimal pro Woche Proben entnommen, um einen Überblick über das lokale Infektionsgeschehen bzw. Mutationen zu erhalten.

Wertvolle Informationen

Gerade bei den Abwassertestungen war Österreich bisher "erstaunlich gut aufgestellt", meint der an der Medizinischen Universität Wien und dem Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) tätige Bergthaler. Das komplexe System funktioniere über alle Bundesländer hinweg, die Ergebnisse hätten vielfach in die Risikoeinschätzungen der österreichischen Behörden Einzug gehalten. Letztlich kann über die Proben nicht nur das Infektionsgeschehen sehr gut abgeschätzt, sondern auch die Verbreitung der Varianten verfolgt werden.

Andere Länder bauen Abwasseranlaysen aus

Andere Länder würden gerade jetzt vermehrt in solche Systeme investieren. In Kanada wolle man bald 80 Prozent der an Kläranlagen angeschlossenen Bevölkerung damit abdecken. "Das ist schon eine Ansage", sagt Bergthaler. In Österreich laufe man durch das Ende des Schulstandortmonitorings "Gefahr, dass der Evidenzgewinn aus den Abwasseranalysen eher stagniert".

Vorteil der Beobachtungsmethode

Der Vorteil des Ansatzes sei, dass man auch die Übersicht behalten könne, wenn weniger PCR-getestet wird. Darüber hinaus unterliegt die Beprobung der Kläranlagen keiner möglichen Stichprobenverzerrung und ermöglicht einen verhältnismäßig kostengünstigen epidemiologischen Überblick.

"Fleckerlteppich" befürchtet

Insgesamt habe man es bisher jedenfalls geschafft, bundesweit gut zusammenzuarbeiten und auch die Daten zentral gemeinsam mit der AGES zu analysieren und zu verknüpfen. Würden jetzt einzelne Länder mit einem ausgeweiteten Monitoring auf eigene Faust weiter machen, sei das zwar prinzipiell zu begrüßen. Es berge jedoch die Gefahr, dass das funktionierende System wieder "zu einem Fleckerlteppich ausfranst" und darunter dann auch die Qualität der Datenanalysen leidet. "Das wäre schade", sagt der Virologe, der im Abwassermonitoring ein "wirkungsvolles Werkzeug" in der aktuellen Pandemiephase sieht.

Regionale Lücken in Daten

Wenn man sich nun lediglich auf die 24 Anlagen des nationalen Abwassermonitorings stütze, verliere man vielleicht nicht sehr viele Prozentpunkte der Bevölkerung, die man indirekt beprobt, die regionale Auflösung des Systems leide jedoch. Es spreche daher "einiges dafür", das aktuelle System beizubehalten, oder "es unter Umständen sogar auszubauen", sagte Bergthaler: "Als Wissenschafter würde man sich natürlich wünschen, mehr und möglichst genaue Daten zu haben." Dementsprechend besser könne man dann Entscheidungsträgern bessere Informationen bereitstellen.

 

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