Reizdarm: Gluten ist nicht immer das Problem

Reizdarm: Glutenunverträglichkeit überschätzt
Forscher der McMaster University in Ontario untersuchten, wie sich Weizen, reines Gluten und eine glutenfreie „Schein“-Diät auf Erwachsene mit Reizdarmsyndrom auswirkten - und zwar unter strengen Testbedingungen: Die Teilnehmer wussten nicht, was sie wann erhielten.
29 Personen mit Reizdarmsyndrom, die zuvor von einer glutenfreien Ernährung profitiert hatten, nahmen an der Untersuchung teil. In drei getrennten Testphasen aßen sie jeweils für eine Woche Müsliriegel, die optisch, geschmacklich und geruchlich ident waren, aber entweder Weizen, Gluten oder eine glutenähnliche Kontrollsubstanz - das Placebo - enthielten. Zwischen den drei Phasen lagen jeweils zwei Wochen Pause, damit sich der Körper erholen konnte.
Das Ziel war zu messen, ob sich die Reizdarm-Beschwerden nach dem Verzehr um mindestens 50 Punkte auf einer etablierten Skala, dem so genannten im IBS Symptom Severity Score, verschlimmerten. Dies gilt als erhebliche Verschlechterung.
Verschlechterung bei Gluten und Placebo ähnlich
Weder Weizen noch reines Gluten führten häufiger zu einer signifikanten Verschlechterung der Symptome als die Placebo-Riegel. 39 Prozent berichteten nach Weizen von einer Verschlechterung, 36 Prozent nach Gluten und 29 Prozent nach der Placebo-Phase.
Auch Nebenwirkungen wie Blähungen oder Bauchschmerzen traten nach allen drei Varianten ähnlich häufig auf. Niemand musste die Studie wegen starker Beschwerden abbrechen. Lediglich eine Person hatte sie nicht beendet.
Das Fazit der Forschenden: „Bei vielen Menschen mit Reizdarmsyndrom, die Gluten oder Weizen meiden, könnte nicht der tatsächliche Inhaltsstoff das Problem sein – sondern eher die Erwartung, dass Beschwerden auftreten.“ Somit spricht man vom „Nocebo-Effekt“ – also das Gegenteil vom Placebo.
Betont wird jedoch, dass das keinesfalls bedeutet, dass sie sich die Symptome „nur einbilden“. Vielmehr sei der Zusammenhang zwischen Psyche, Ernährung und Darm besonders komplex. Einige Betroffene könnten tatsächlich empfindlich auf bestimmte Bestandteile in Weizen reagieren, etwa auf FODMAPs – schwer verdauliche Zuckerarten, die bei Reizdarm eine Rolle spielen.
Auf individuelle Untersuchungen setzen
Die Studie spricht sich dafür aus, Weizen und Gluten nicht pauschal als Schuldige zu stigmatisieren. Stattdessen sei es wichtig, gezielt herauszufinden, welche Gruppe von Reizdarm-Patienten wirklich von einer gluten- oder weizenfreien Ernährung profitiert – und wer vielleicht auf andere Weise besser geholfen werden kann.
So könnte eine individuellere und gleichzeitig entspanntere Herangehensweise zu mehr Lebensqualität führen – und unnötige Einschränkungen bei der Ernährung vermeiden helfen.
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