"Die Endlichkeit des Lebens macht etwas mit einem"
Oft würden erste Gefühle der Wut und Ohnmacht auf das Behandlungsteam übertragen werden, manchmal besteht ein Unverständnis, dass bestimmte Therapien nicht beim Einzelnen angewendet werden können. Insbesondere in der Behandlung von Krebs habe es in den vergangenen Jahren sehr viele Fortschritte gegeben, manche Therapien können jedoch nur unter sehr spezifischen Voraussetzungen zum Einsatz kommen, etwa, wenn gewisse Genmutationen vorliegen. „Oft bekommt man Informationen, die man nicht erwartet hat und bewegt sich zwischen Bangen, Hoffen und Verzweiflung. Besonders, wenn die Endlichkeit des Lebens präsent wird, macht das etwas mit einem“, sagt Lehner-Baumgartner. Es kann helfen, Emotionen oder Gedanken, die einem durch den Kopf gehen, aufzuschreiben. Psychologen bieten Hilfestellungen, um den Tunnelblick auf die Krankheit zu durchbrechen und vorhandene Ressourcen wahrzunehmen.
„Sehr wichtig ist Aufklärung und Information in einer Sprache, die Betroffene verstehen, etwa mit professionellem Dolmetsch aber auch angepasst an den Wissensstand der Person. Patienten benötigen viel Hintergrundwissen, auch darüber, wie Diagnosen zustande kommen, wie der Informationsfluss zwischen den Ärzten funktioniert, wie beispielsweise ein Tumorboard abläuft.“
Auch unangenehme Themen sollen offen angesprochen werden, etwa die Möglichkeit des Scheiterns einer Therapie oder der Wunsch nach palliativer Versorgung. Zentrale Aufgabe der psychologischen Begleitung ist es, die Patienten zu ermächtigen, selbst Entscheidungen zu treffen. Es gehe darum, Raum für Reflexion zu schaffen: Was brauche ich? Was möchte ich? Gleichzeitig dürfen Betroffene ihre Überforderung äußern und Unterstützung einfordern.
Angehörige leiden mit
Dabei wird deutlich: Viele Krankheiten betreffen auch das Umfeld. Angehörige fühlen sich oft genauso überfordert wie die Betroffenen selbst. „Oft kann man von einer ,Familienerkrankung’ sprechen. Viele Patienten sorgen sich auch mehr um ihre Partner und Kinder, als um sich selbst. Hier können Psychologen bei der innerfamiliären Kommunikation unterstützen.“
Angehörige würden oft versuchen Betroffene aufzubauen, etwa mit gut gemeinten Sätzen wie „Das wird schon wieder“ oder „Du bist stark, du schaffst das schon“. Dies kann bei Betroffenen aber das Gefühl wecken, selbst für ihre Erkrankung verantwortlich zu sein und sie unter Druck setzen, stark sein zu müssen und Schwäche nicht zeigen zu dürfen. Besser sei, versuchen zu vermitteln, dass man da ist, zuhört und bestmöglich beisteht. „Manchmal ist es so, dass Patienten schon längere Zeit Symptome haben und durch die Diagnose dann wissen, was es ist und wie es weitergeht, während Angehörige von jetzt auf gleich informiert werden und für sie oft eine Welt zusammenbricht. Hier hilft offene Kommunikation – auch Angehörige dürfen ihre Empfindungen ausdrücken“, rät Lehner-Baumgartner.
Unterstützend, sowohl für Betroffene als auch für Angehörige, können Ratgeber und Selbsthilfegruppen sein. Gerade in Selbsthilfegruppen müsse man jedoch darauf achten, ob sie einem guttun – es könne auch irritierend sein, wenn man mit anderen zusammentrifft, deren Erkrankung möglicherweise bereits weiter fortgeschritten ist oder die vielleicht schlechte Therapieerfahrungen gemacht haben.
Praktische Übungen
Um starke Emotionalisierungen zu reduzieren, können Atemübungen helfen, etwa ein bewusstes Ein- und Ausatmen, bei dem man ganz bewusst die Ausatemphasen verlängert. „Wenn ich meine Aufmerksamkeit bewusst auf das Atmen lenke, kann ich besser entspannen. Auch Antistress- oder Igelbälle können helfen, Anspannung zu verringern, etwa wenn man vor einer wichtigen Untersuchung nervös ist“, empfiehlt Lehner-Baumgartner.
Progressive Muskelentspannung oder Autogenes Training seien weitere praktische Techniken, um innere Anspannung zu lösen. Auch ein Tagebuch schreiben, etwa drei schöne Dinge pro Tag, die einem passiert sind, kann helfen, den Umgang mit der Situation zu erleichtern. Derartige Übungen fördern nicht nur die Achtsamkeit, sondern geben auch ein Gefühl der Kontrolle in einer herausfordernden Zeit.
Kommentare