Prostatakrebs: Die Falschen werden getestet
            
            Prostatakrebs: Die Falschen werden getestet
Was der Pink Ribbon für Brustkrebs ist, ist die lose Krawatte für Prostatakrebs. Jedes Jahr im November, dem Monat der Männergesundheit, startet die Österreichische Krebshilfe ihre „Loose Tie“-Aktion. Das Ziel beider Initiativen ist dasselbe: Bewusstsein schaffen und Menschen zu Früherkennungsuntersuchungen motivieren.
„Mit 7.485 Neudiagnosen ist Prostatakrebs die häufigste Krebserkrankung überhaupt in Österreich“, erklärt Martina Löwe, Geschäftsführerin der Österreichischen Krebshilfe, im Rahmen einer Pressekonferenz.
Wird die Erkrankung jedoch früh erkannt, sind die Heilungschancen gut. Shahrokh Shariat, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Urologie und Andrologie, betont: „Da es keine klaren Lebensstilfaktoren gibt, die das Risiko für Prostatakrebs beeinflussen, ist die Früherkennung umso wichtiger. Im Gegensatz zu anderen Krebsarten wie etwa Blasenkrebs lassen sich keine gesicherten Präventionsmaßnahmen nennen.“
Tastuntersuchung ist out
Der PSA-Test gilt heute als das wichtigste Werkzeug in der Früherkennung von Prostatakrebs. Eine einfache Blutabnahme reicht, um den Wert des prostataspezifischen Antigens zu bestimmen – eines Eiweißes, das von Prostatazellen gebildet wird. Krebszellen produzieren davon oft ein Vielfaches der normalen Menge. Ein erhöhter PSA-Wert kann daher ein frühes Warnsignal sein, lange bevor Beschwerden auftreten.
Die früher übliche Tastuntersuchung gehört nicht mehr zur Routine der Krebs-Früherkennung, was nun nicht heißt, dass sie gar nicht mehr zum Einsatz kommt. Etwa bei Verdacht auf andere Prostataerkrankungen obliegt die Entscheidung dem behandelnden Urologen.
Die Österreichische Krebshilfe ruft Männer ab 45 Jahren auf, regelmäßig zur Prostatavorsorge zu gehen. Grundlage ist der PSA-Wert: Bei sehr niedrigen Werten genügt eine Kontrolle alle fünf Jahre, bei höheren alle zwei. Liegt der Wert über 3 ng/ml, soll eine weiterführende Abklärung erfolgen. Männer mit familiärem Risiko sollten spätestens ab 40 starten. Über 70-Jährige sollten das Untersuchungsintervall individuell mit ihrem Arzt besprechen. „Diese Empfehlung ist Basis unserer jährlichen Awareness-Aktion Loose Tie, mit der wir Männer zur Früherkennung motivieren möchten“, erklärt Krebshilfe-Vorstandsmitglied Anton Ponholzer.
Weniger Opportunismus
Das Problem: In Österreich fehlt ein organisiertes Screening. „Die Früherkennung erfolgt hier nur auf Initiative des Arztes oder des Patienten – wir haben es mit einem opportunistischen Screening zu tun, das zu Ungleichheiten und Überdiagnosen führt“, sagt Shariat und weist auf ein Wohlstands- und Bildungsgefälle hin. „Je höher die Gesundheitskompetenz, desto eher geht man zur Vorsorge.“ Derzeit würden die falschen Leute zu oft getestet. Die Untersuchung wird derzeit überwiegend von älteren Männern, die keinen Vorteil in der Lebenserwartung haben, in Anspruch genommen.
Gefordert wird ein organisiertes Prostatakrebs-Screening, bei dem Männer zwischen 45 und 70 gezielt zum PSA-Test eingeladen werden.
Studien, darunter die europäische ERSPC-Studie, zeigen schließlich: Ein strukturiertes PSA-Screening kann die Sterblichkeit durch Prostatakrebs deutlich senken. Auch die Europäische Urologische Gesellschaft (EAU) fordert ein einheitliches organisiertes, risiko-adaptiertes Screening für Männer. „Nur ein qualitätsgesichertes, risiko-adaptiertes Vorgehen kann Leben retten und Überdiagnosen verhindern“, sagt Prof. Hein Van Poppel, Generalsekretär der EAU.
Mehr Effizienz
Ein strukturiertes Programm habe mehr Vorteile: Früherkennung spare Kosten für aufwendige Spätbehandlungen und der Einsatz von PSA-Tests, MRT und Biopsien würde effizienter gesteuert. Eine Umsetzung lässt dennoch auf sich warten: Der Nutzen eines organisierten Prostatakrebs-Screenings würde von der Politik nicht erkannt, Shariat ortet eine „Kopf in den Sand“-Strategie der politischen Entscheidungsträger.
Seitens der Politik gab es in einer Aussendung keine Zeichen in diese Richtung, lediglich einen Appell von Gesundheitsministerin Korinna Schumann an alle Männer: „Nutzen Sie die kostenlosen Angebote der Vorsorgeuntersuchung und achten Sie auf Ihre körperliche und seelische Gesundheit.“
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