Nikotinbeutel: "Einstieg in die Abhängigkeit passiert oft schon im Jugendalter"

„Cool“, „freeze“ oder „cold“: Mit solchen Wörtern werden häufig die Nikotinbeutel (Nikotinpouches) beworben, die zwischen Lippe und Zahnfleisch geschoben werden. Das Gesundheitsministerium hat jetzt einen Entwurf zum Tabak- und Nikotinschutzgesetz in Begutachtung geschickt – demnach sollen Nikotinbeutel denselben Regeln wie Zigaretten unterliegen: Bundesweit kein Verkauf an Unter-18-Jährige und danach nur in Trafiken; Werbe- und Sponsoring-Verbot; verpflichtende Warnhinweise. Auch ein Rauchverbot auf Spielplätzen ist im Entwurf vorgesehen.
Unterstützung kommt von der Österreichischen Krebshilfe: „Wir sehen, dass diese neuen Produkte von Jugendlichen immer häufiger genutzt werden und mit ihrer Attraktivität dem früheren Rauchen im Schulhof nachfolgen“, erklärt Krebshilfe-Präsident Paul Sevelda.
„Ein generelles Verbot der Abgabe an Unter-18-Jährige halte auch ich für sinnvoll, weil erwiesen ist, dass der Einstieg in die Abhängigkeiten oft schon im Jugendalter seinen Lauf nimmt“, sagt der Lungenfacharzt Bernd Lamprecht, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP), zum KURIER. „Wenn man das im Sinne von Prävention hintanhalten kann, ist natürlich viel gewonnen.“ Denn gerade junge Menschen neigen dazu, in einer Gruppe mit Freundinnen und Freunden mit einer Gewohnheit wie dem Konsum von Nikotinbeuteln zu beginnen und gleichzeitig noch nicht alle Risiken zu bedenken.
Verengte Blutgefäße
„Mit einer Altersbeschränkung erhöht man die Chance, dass Menschen gar nicht erst mit dem Konsum beginnen, weil sie dann nicht mehr in einer dafür so empfänglichen Phase sind.“
Auch ohne Zigarettenrauch sei Nikotin eine problematische Substanz: „Zum einen wegen ihres sehr hohen Suchtpotenzials. Zum anderen wegen ihrer Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System“, betont Lamprecht. Nikotin steigere die Herz- und die Atemfrequenz und verenge die Blutgefäße. „Nikotin erhöht auch das Risiko für Blutgerinnsel, Thrombosen, wie erst im Vorjahr eine schwedische Studie mit Beteiligung aus Österreich gezeigt hat.“
"Nikotinbeutel enthalten zwischen 3 und 20 mg Nikotin pro Portion und damit oft mehr Nikotin als Zigaretten", heißt es bei der Sucht- und Drogenkoordination Wien. "Die Nikotin-Blutspiegel, die erreicht werden, sind zumindest vergleichbar mit jenen von Tabakzigaretten", sagt Lamprecht: "Deshalb ist auch das Suchtpotenzial auf jeden Fall mindestens so groß wie beim Rauchen."
Zwar werden Nikotinersatzprodukte wie Kaugummis oder Pflaster zur vorübergehenden Unterstützung bei der Rauchentwöhnung eingesetzt: „Aber das ist zeitlich begrenzt – im Schnitt für drei Monate. Aber bei den Nikotinbeuteln ist ebenso wie bei den E-Zigaretten ja keine zeitliche Begrenzung absehbar, sondern es kommt meist zu einer dauerhaften oder zumindest langfristigen neuen Gewohnheit – und dadurch bestehen sehr wohl Gesundheitsrisiken.“
Wenig bekannt ist über die langfristigen Auswirkungen der Aromastoffe auf die Mundschleimhaut: "Bekannt ist jedenfalls, dass es durch die Nikotinbeutel zu Reizungen des Zahnfleisches und der Mundschleimhaut kommen kann. Es sind also auch lokale Nebenwirkungen ein nicht zu unterschätzendes Thema."
Lamprecht befürwortet auch ein Werbeverbot und Warnhinweise: „Nikotin aus den Beuteln gelangt ins Blut und bei Schwangeren damit auch zu ihrem Kind.“ Nikotin in der Schwangerschaft sei mit einer höheren Rate von Totgeburten verbunden.
Zu einem Rauchverbot auf Kinderspielplätzen sagt der Lungenfacharzt: „Es geht nicht darum, den Menschen das Rauchen im Freien auf weiter Flur zu verbieten. Aber dort, wo viele Kinder zusammenkommen, ausreichende Abstände schwer einzuhalten sind und in den Mund gesteckte Zigarettenreste vom Boden ein zusätzliches Risiko bedeuten können, dort unterstütze ich ein Rauchverbot.“
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