Babys innere Uhr: Warum Muttermilch am Morgen und in der Nacht unterschiedlich wirkt

Muttermilch wird oft als die bestmögliche Nahrung für Neugeborene bezeichnet. So heißt es, dass sie Signale enthält, die dem kindlichen Körper dabei helfen, sich zu orientieren und zu entwickeln. Die Untersuchung zeigt nun, dass diese Signale eng mit der Tageszeit verknüpft sind. Wird Milch abgepumpt und zeitversetzt gefüttert, könnten somit wichtige Rhythmen durcheinandergeraten.
Wird abgepumpte Milch zeitversetzt gefüttert, könnten diese Impulse verloren gehen – mit Folgen für Schlaf, Immunsystem und Entwicklung.
Das Forschungsteam der Rutgers University in New Jersey untersuchte insgesamt 236 Proben von 38 stillenden Müttern. Dabei wurden zu verschiedenen Tageszeiten – morgens, mittags, abends und nachts – kleine Mengen Milch entnommen und auf unterschiedliche Inhaltsstoffe hin analysiert. Im Fokus standen die Hormone Melatonin und Cortisol, die eine zentrale Rolle beim Schlaf-Wach-Rhythmus spielen, das Bindungshormon Oxytocin sowie die Abwehrstoffe Immunglobulin A (IgA) und Lactoferrin, die den Darm vor Krankheitserregern schützen und den Aufbau einer gesunden Darmflora fördern.
Zeitgeber für innere Uhr
Die Ergebnisse verdeutlichen: Muttermilch ist ein dynamisches Lebensmittel, das sich im Laufe des Tages verändert. Während Melatonin in den Nachtstunden deutlich anstieg, zeigte Cortisol seine höchsten Werte am Morgen. Diese Muster spiegeln den natürlichen Tagesrhythmus wider und deuten darauf hin, dass Muttermilch auch ein „Zeitgeber“ für Säuglinge ist, deren innere Uhr noch nicht vollständig entwickelt ist. Die Forscherinnen und Forscher vermuten, dass diese biologischen Signale helfen, den zirkadianen Rhythmus – also den Schlaf- und Wachzyklus – der Babys zu stabilisieren.
Die anderen Inhaltsstoffe blieben im Tagesverlauf relativ konstant, variierten jedoch mit dem Alter der Kinder. Besonders in den ersten Lebenswochen waren die Konzentrationen von Cortisol, IgA und Lactoferrin am höchsten. Dies könnte ein Schutzmechanismus sein, um das unreife Immunsystem der Neugeborenen zu unterstützen und die frühe Besiedelung des Darms mit hilfreichen Bakterien zu fördern. Interessant ist auch, dass die mikrobielle Zusammensetzung der Milch Unterschiede zwischen Tag und Nacht aufwies: Hautbakterien traten eher nachts auf, während tagsüber vermehrt Umweltbakterien nachweisbar waren.
Zeit des Abpumpens entscheidend
„Wir haben Unterschiede in den Konzentrationen bioaktiver Komponenten je nach Tageszeit festgestellt, was bestätigt, dass Muttermilch ein dynamisches Nahrungsmittel ist“, erklärt Erstautorin Melissa Woortman. Gerade für Eltern, die Milch abpumpen und später verfüttern, könne dieser Befund von Bedeutung sein. Denn wenn ein Baby nachts Milch erhält, die am Morgen abgepumpt wurde, fehlen möglicherweise die für die Nacht typischen Hormonsignale. „Der Zeitpunkt dieser Signale ist besonders in den ersten Lebensmonaten entscheidend, wenn die innere Uhr des Säuglings noch nicht vollständig ausgereift ist“, ergänzt die leitende Autorin Maria Gloria Dominguez-Bello.
Ein weiterer Befund: Bei Müttern mit höherem Body-Mass-Index fielen die Unterschiede zwischen Tag und Nacht weniger stark aus. Ob dies gesundheitliche Folgen für Mutter oder Kind hat, muss in künftigen Studien noch geklärt werden.
Die Untersuchung liefert damit einen neuen Hinweis darauf, dass Muttermilch weit mehr leistet, als den Kalorienbedarf eines Babys zu decken. Sie ist ein komplexes, sich ständig veränderndes System, das Informationen über Tageszeit, Immunabwehr und Umwelt an das Kind weitergibt. Für die Praxis könnte das bedeuten, dass Eltern beim Füttern abgepumpter Milch künftig auch den Zeitpunkt des Abpumpens im Blick behalten sollten – eine kleine Anpassung, die möglicherweise große Wirkung auf den kindlichen Schlaf-Wach-Rhythmus hat.
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