Muskelkraft aus der Dose: Wie sinnvoll ist Kreatin?

Muskulöser Körper einer Frau von hinten.
Das beliebte Nahrungsergänzungsmittel soll die Leistungsfähigkeit steigern. Das gilt allerdings nur für Profisportler und auch für sie nicht immer.

Kaum ein Nahrungsergänzungsmittel ist so intensiv erforscht wie Kreatin. Seit Jahren im Fokus der Sportwissenschaft, gilt es heute als eine der wenigen Substanzen, deren Wirkung auf Muskelkraft und Leistungsfähigkeit eindeutig belegt ist. Kreatin, das vor allem in der Muskulatur gespeichert wird, spielt eine zentrale Rolle bei der Energieversorgung. Doch bei intensiver körperlicher Anstrengung sind die körpereigenen Vorräte schnell erschöpft. Nahrungsergänzungsmittel sollen helfen, die Speicher gefüllt zu halten, damit die Muskeln länger Energie abrufen können und die Leistungsfähigkeit steigt. Im Körper wird Kreatin, das entweder über Nahrung – vor allem Fleisch und Fisch – oder Supplemente aufgenommen wird, in Kreatinphosphat umgewandelt. Dieser schnelle Energiespeicher liefert in den ersten Sekunden einer intensiven Belastung Energie. Gleichzeitig kann die Einnahme von Kreatin den Muskelaufbau unterstützen, da Wasser in den Muskelzellen gebunden wird und diese praller und leistungsfähiger erscheinen. In den vergangenen Jahren hat Kreatin einen regelrechten Hype erlebt. Im Profisport, etwa beim Gewichtheben oder beim Kurzstreckenlauf, ist die Einnahme in Form von Pulver oder Kapseln kaum mehr wegzudenken. Da Kreatin auch vom Körper selbst produziert wird und in Lebensmitteln vorkommt, gilt die Einnahme nicht als Doping.

Jeder Fünfte hat es bereits probiert

Auch immer mehr Hobbysportler greifen zu den Präparaten, in der Hoffnung auf mehr Leistung. Studien zeigen, dass bis zu 20 Prozent der Sporttreibenden bereits Erfahrungen mit Kreatin gesammelt haben. Die praller wirkenden Muskeln machen Kreatin auch im Bodybuilding beliebt. Für Breitensportler sei der Effekt jedoch begrenzt, sagt Univ.-Prof. Dr. Daniel König, Professor für Sports Nutrition an der Universität Wien. „Kreatin spielt besonders bei kurzen, hochintensiven Belastungen wie schweren Kraftübungen eine entscheidende Rolle. Das ist im Spitzensport relevant, für Hobbysportler macht das aber keinen Sinn“, betont König. Wer zwei-, dreimal pro Woche trainiert, um gesund zu bleiben, werde keinen messbaren Effekt feststellen. König: „Wenn ich meinen Sport nicht wettkampforientiert betreibe, spielt es keine Rolle, ob ich im Zehntelsekundenbereich schneller werde.“ Auch die Sportart entscheidet über den Nutzen: Eine Leistungssteigerung ist zu beobachten, wenn es darum geht, maximale Energie in kurzer Zeit abzurufen. Ausdauersportler profitieren hingegen kaum. Studien zeigen, dass Kreatin bei Marathonläufen die Leistung sogar verschlechtern kann. Eine gezielte Information darüber, ob Kreatin für die eigene Sportart und Trainingsintensität sinnvoll ist, ist daher entscheidend.

Manche Hersteller werben mit einem geringeren Risiko für Muskelverspannungen, Zerrungen oder Verletzungen und einer schnelleren Erholung nach Verletzungen. „Die wissenschaftliche Evidenz dafür ist aber nicht ausreichend. Es ist eher so, dass gut trainierte Muskeln ohnehin schneller regenerieren. Wer Kreatin nimmt, könnte davon profitieren, dass die Muskulatur besser versorgt ist. Auch der erhöhte Wassergehalt kann die Regeneration unterstützen, aber das ist nicht der Hauptgrund für die Einnahme“, erklärt König. Die Wassereinlagerung in den Muskeln könne in manchen Sportarten sogar nachteilig sein, etwa beim Hoch- oder Weitsprung oder beim Skispringen, wo zusätzliches Gewicht die Leistung mindert. Außerdem profitieren nicht alle gleich: Menschen mit von Natur aus niedrigen Kreatinspiegeln reagieren besonders stark, während rund ein Viertel der Sportler bereits genügend Kreatin gespeichert hat und keine Wirkung feststellen würde.

Effekte auf das Gedächtnis

Ein spannender, aber noch wenig erforschter Aspekt: Erste Studien deuten an, dass Kreatin auch kognitive Funktionen wie Gedächtnis oder Reaktionszeit verbessern könnte – vor allem bei Schlafmangel oder unter Stress. Ob es jedoch langfristig vor Demenz oder geistigem Abbau schützt, ist unklar. König: „Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sieht keinen Effekt von Kreatin auf die Gesamtkognition. Für einzelne Bereiche wie Gedächtnisleistung oder Reaktionszeit wurden leichte bis mittlere Effekte festgestellt. Kreatin könnte also temporär helfen, wenn man übernächtigt oder gestresst ist, ein langfristiger Schutz lässt sich aber noch nicht ableiten.“

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