Kann Multitasking ohne Leistungseinbußen funktionieren?

„Multitasking“ – mehrere Aufgaben, sogenannte Tasks, gleichzeitig zu erledigen: Wer behauptet, das gut zu können, gilt als besonders leistungsfähig. Aber funktioniert das tatsächlich, vor allem dann, wenn komplexere Aufgaben zu erledigen sind, für die man konzentriert sein müsste?
Bereits frühere Studien zeigten, dass das Gehirn insgesamt mehr Zeit benötigt, wenn es zwischen mehreren Aufgaben hin und her wechseln muss. Jetzt ergab auch eine neue Untersuchung mit Sportlern, dass es zu deutlichen Leistungseinbußen kommt, wenn sie neben dem Sport auch noch eine Denkaufgabe ausführen sollen.
Sportwissenschaftlerinnen und -wissenschafter der Universität des Saarlandes untersuchten zwei Gruppen: Eine musste auf einem Ergometer rudern, eine andere bestimmte Übungen in der Kampfsportart Taekwondo durchführen. „Gleichzeitig mussten sie sich als Denkaufgabe eine Reihe von Wörtern merken, die sie mit einer festgelegten Abfolge von Orten gedanklich verknüpfen sollten“, erklärt Sabine Schäfer, Professorin für Sportwissenschaft.
Die freiwilligen Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Ruder-Tests waren in vier Altersgruppen zwischen zwölf und 63 Jahren zu je zehn Personen unterteilt. In der Gruppe der jungen Erwachsenen waren auch Leistungssportler.
Die Probanden mussten 180 Sekunden lang in einer vorgegebenen Geschwindigkeit rudern – einmal in einer lockeren Ergometer-Einstellung, einmal in einer anstrengenderen. Dabei war es jeweils wichtig, dass sie auch das Display des Rudergeräts im Auge behielten und auf ihre Geschwindigkeit achteten, um möglichst konstant zu bleiben.
Nach 90 Sekunden empfingen sie über Kopfhörer verknüpfte Wortpaare, wie etwa „Abwasch - Banane“. Im Anschluss daran sollte sich die Sportler an den Gegenstand erinnern, der an einem bestimmten Ort gedanklich „abgelegt“ worden war.
„Wir haben festgestellt, dass über alle Probandengruppen hinweg die Gedächtnisleistung und die Rudergeschwindigkeit klar abgenommen, wenn die andere Aufgabe gleichzeitig erledigt werden muss“, sagt Schäfer. Bei der anstrengenderen Übung war die Leistungsabnahme noch etwas stärker.
Zwar schnitten die Profi-Ruderer noch am besten ab, „aber auch hier haben wir einen deutlichen Abfall der Ruder- und der Gedächtnisleistung gesehen.“
Ähnlich waren die Ergebnisse bei den Taekwondo-Sportlern. „Taekwondo ist kognitiv sehr fordernd“, sagt Schäfer. Die Taekwondo-Sportler aus drei Leistungsgruppen führten einen sogenannten „Formenlauf“ vor, in welchem festgelegte Techniken in vorgegebener Reihenfolge durchgeführt und von Kampfrichtern bewertet werden. Die Wortpaar-Aufgabe lösten sie in zwei von vier Durchgängen, die anderen zwei waren reine Formenläufe ohne Denkaufgabe, die dem Vergleich der sportlichen Leistung dienten. Außerdem wurde – wie beim Rudern auch – die reine Gedächtnisleistung gemessen, indem den Sportlern die Wortpaare präsentiert wurden, während sie saßen.
Bei den Taekwondo-Sportlern waren die Einbußen bei der Gedächtnisleistung etwas höher als beim Rudern: Die doppelte Aufgabenstellung überfordert das Gehirn also.
Gleichzeitig wurden die Taekwondo-Übungen nicht mehr so präzise präsentiert im Vergleich zum Formenlauf ohne ablenkende Gedächtnisaufgabe. „Anders gesagt: Die Leute wissen, was sie machen müssen, aber es sieht alles nicht mehr so gut aus“, sagt Sportwissenschafterin Schäfer.

Ähnlich wie beim Rudern schnitten erfahrene Sportler im Mittel besser ab als die unerfahrenen. Aber selbst bei sehr erfahrenen Athleten mit schwarzem Gürtel war in der Situation der doppelten Aufgaben ein Abfall der Leistung zu beobachten.
Die Studie der Universität des Saarlandes ist in der Fachzeitschrift Frontiers in Psychology erschienen.
Ein schwedisches Experiment hat gezeigt, dass das menschliche Gehirn nicht zu viele Aufgaben gleichzeitig bewältigen kann. In der Studie, die im Fachmagazin Frontiers in Human Neuroscience erschien, mussten die 32 Teilnehmer visuelle Aufgaben wie eine schriftliche Prüfung in ruhiger und in unruhiger Umgebung bearbeiten. In dieser Zeit machten die Wissenschaftler Aufnahmen der Gehirne.
Nur ein Sinn kann die volle Leistung bringen
So konnten sie unter anderem feststellen: Je komplexer die visuelle Aufgabe, desto schwächer ist die Reaktion des Gehirns auf den Schall der Umgebungsgeräusche. "Es kann also nur ein Sinn zur gleichen Zeit seine volle Leistung erbringen. Darum ist es zum Beispiel keine gute Idee, beim Autofahren zu telefonieren", heißt es im Gesundheitsmagazin der deutschen AOK-Krankenkasse.

Grundsätzlich können Menschen in gewissem Ausmaß mehrere Dinge gleichzeitig erledigen - "das betrifft besonders Prozesse, die am Rande stattfinden und die wir über verschiedene Sinne wahrnehmen", so die AOK. "Menschen können duschen und dabei laut singen oder eine Hose bügeln und gleichzeitig den Nachrichten lauschen." Schwieriger wird es allerdings immer dann, wenn das Gehirn komplexe Aufgaben zu erledigen hat. Fazit: "Wer eine zu erledigende Arbeit immer wieder wegen einer anderen Sache unterbricht, ist somit weniger produktiv als derjenige, der sich nicht so leicht ablenken lässt."
"Menschen können nicht mehrere konzentrationsbedürftige Sachen gleichzeitig erledigen, weil die Kapazitäten des Arbeitsspeichers begrenzt sind", sagt dazu die deutsche Psychologin Ulrike Kipman auf zdfheute.
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