Michael Musalek: Allein verreisen - Lust oder Last?

„Allein verreisen“ – das klingt für manche Menschen vielleicht nicht sehr anziehend, sondern eher wie eine Hürde. Und dennoch liegt darin ein besonderer Reiz, abhängig von der individuellen Lebenssituation und von der Art des Reisens. Bedeutet es, völlig allein irgendwohin zu fahren, um dann tagelang nur mit sich selbst zu Abend zu essen? Oder meint man damit eher: ohne Partner, aber in einer Gruppe unterwegs? Vielleicht sogar bewusst Anschluss suchend?
Fakt ist: Alleinreisen ist nicht gleich Alleinreisen. Und noch viel weniger ist es gleichbedeutend mit Einsamkeit. Darin liegt der feine Unterschied. Man kann mitten in einer Gruppe sitzen und sich trotzdem fehl am Platz und isoliert führen. Umgekehrt kann bewusstes Alleinsein eine Wohltat sein. Gerade, wer im Job ständig von Menschen umgeben ist, erlebt es als erlösend, keine Unterhaltung führen zu müssen.
Für jeden gleich einfach ist das allerdings nicht. Nach wie vor ist es von Bedeutung, ob ein Mann allein reist oder eine Frau. Bedauerlich, aber wahr. Während ein Solist im Restaurant kaum auffällt, wird eine Solistin oft gemustert: „Warum ist sie allein?“ Im schlimmsten Fall fühlt sich sogar noch jemand bemüßigt, sie anzusprechen – ungefragt, versteht sich. Für viele Frauen ein echter Hinderungsgrund, obwohl sie gern allein unterwegs wären.
Reisen als Schule für das Leben
Zurück zur Frage: Lust oder Last? Das hängt stark davon ab, wo ein Mensch gerade im Leben steht. Hat er gerade eine Trennung hinter sich? Ist die Partnerin/der Partner verstorben? In solchen Fällen kann die Vorstellung, allein zu verreisen, sehr bedrohlich wirken. Muss sie aber nicht bleiben, alles eine Frage der Zeit. Da hilft es, klein anzufangen: ein Wochenende am See. Ein Städtetrip. Step by Step. Bitte nicht gleich in den Himalaya, wer sich eigentlich nur nach einem Croissant in Paris sehnt.
Allein zu verreisen bedeutet aber auch immer ein Stück Persönlichkeitsentwicklung. Wer solo unterwegs ist, erfährt vieles über sich. Reisen ist also kein Luxus, sondern eine Schule fürs Leben. Wir sehen Dinge mit anderen Augen, lernen fremde Kulturen kennen und merken dabei oft: So fremd ist das alles gar nicht. Im besten Fall schrumpfen Vorurteile – und erweitert sich der Blick auf andere. Und dann wäre da noch dieses wunderbare Gefühl von Selbstwirksamkeit. Alles wurde selbst geplant, organisiert, gemeistert – vom Flughafentransfer bis zur Museumskarte. Keiner fragt: „Warum willst du da hin?“ oder „Müssen wir wirklich um acht los?“ Man entscheidet selbst.
Natürlich braucht es dafür Mut. Und Übung. Doch jedem ersten Schritt folgt der zweite – es wird leichter und leichter. Also: Lust oder Last? Wahrscheinlich ist Alleinreisen beides – je nach Situation. Aber definitiv eine Erfahrung, die sich niemand entgehen lassen sollte. Wer reist, lernt die Welt kennen. Und manchmal auch sich selbst – ganz neu, ganz anders.
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