Magenmittel Iberogast: Wie groß ist das Risiko von Leberschäden?

Schöllkraut kann bei manchen Menschen unabhängig von der Dosis die Leber schädigen.
Diskussion um Nebenwirkungen des populären pflanzlichen Präparats. Nach Todesfall in Deutschland wurde der Beipacktext verschärft.

Magenschmerzen, Völlegefühl, ein Gefühl des Aufgeblähtseins oder das Gefühl, das Essen liegt wie ein Stein im Magen: So beschreibt Rainer Schöfl, Leiter der Gastroenterologie im Ordensklinikum Linz, die Haupteinsatzgebiete des pflanzlichen Magen-Darm-Mittels Iberogast.

Die Tropfen enthalten Inhaltsstoffe von neun Pflanzen, darunter auch das Schöllkraut. Laut deutschem Handelsblatt ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln im Umfeld der Herstellerfirma Bayer: Es geht um die Frage, ob in Deutschland ein Todesfall (er wurde 2018 bekannt) in Zusammenhang mit Iberogast hätte vermieden werden können, wenn die Firma Bayer früher vor möglichen Nebenwirkungen gewarnt hätte. Diese betont, dass sich das Verfahren „gegen Unbekannt“ richte und ihr Einzelheiten nicht bekannt seien.

Dass schöllkrauthaltige Präparate in Einzelfällen die Leber schädigen können, ist lange bekannt. 2009 wurde ein Fall aus Österreich beschrieben, bei dem es zu einer Vergiftung durch Schöllkraut-Tee gekommen ist.

„Die Uni-Klinik von Barcelona publizierte 2016 im American Journal of Gastroenterology einen Fall eines schweren Leberversagens mit anschließender Lebertransplantation in Zusammenhang mit Iberogast-Einnahme“, sagt Leberspezialist Rudolf Stauber von der MedUni Graz. Auch 16 Fälle von Leberschäden durch andere Präparate, die den Schöllkraut-Wirkstoff Chelidonin enthielten, wurden veröffentlicht. „Und heuer wurde ein weiterer Fall eines schweren Leberversagens aus Deutschland publiziert.“

Magenmittel Iberogast: Wie groß ist das Risiko von Leberschäden?

Das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte forderte bereits seit vielen Jahren eine Änderung des BeipacktextesBayer hingegen verwies lange auf die geringe Schöllkraut-Konzentration von Iberogast. In Deutschland wurde die Gebrauchsinformation schließlich 2018, in Österreich heuer aktualisiert. Derzeit werde sie schrittweise mit neuen Packungen ausgeliefert, heißt es bei Bayer.

Wörtlich heißt es in der Gebrauchsinformation: „Bei der Anwendung von Schöllkraut-haltigen Arzneimitteln sind Fälle von Leberschädigungen ... sowie Fälle von Leberversagen aufgetreten. Die Häufigkeit ist nicht bekannt (Häufigkeit auf Grundlage der verfügbaren Daten nicht abschätzbar).“

Bei Leberleiden muss ein Arzt kontaktiert werden

Was für Patienten besonders wichtig ist: "Iberogast darf erst nach Rücksprache mit dem Arzt eingenommen werden, wenn bei Ihnen eine Lebererkrankung vorliegt oder in der Vergangenheit vorlag oder wenn Sie mit Arzneimitteln mit leberschädigenden Eigenschaften behandelt werden", wird in der Gebrauchsinformation festgehalten.

Und sie verweist auch auf Symptome, auf die man achten sollte: "Sollten Symptome einer Leberschädigung wie Gelbfärbung der Haut oder Augen, dunkler Urin oder entfärbter Stuhl auftreten, ist die Behandlung sofort abzubrechen und ein Arzt aufzusuchen."

Neun Meldungen

In Österreich sind dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) seit 2007 neun Nebenwirkungen in zeitlicher Nähe mit Iberogast-Einnahme gemeldet worden, davon 2018 und 2019 (bis 22.7.) je vier. Es handelte sich ausschließlich um nicht schwerwiegende Symptome wie Beschwerden und Schmerzen im Bauchbereich, Erbrechen oder Tinnitus, erhöhte Bilirubinwerte, aber kein Leberversagen, keine notwendige Lebertransplantation und keine Todesfälle.

„Die Sicherheit und Wirksamkeit von Iberogast wurden in kontrollierten klinischen Prüfungen und Studien mit mehr als 50.000 Teilnehmern geprüft und bei der Behandlung von mehr als 84 Millionen Patienten seit der Markteinführung bestätigt“, heißt es in einer Stellungnahme von Bayer Austria gegenüber dem KURIER.

Dies mache Iberogast „zu einem der am besten untersuchten pflanzlichen OTC-Medikamente (rezeptfreies Präparat, Anm.) weltweit.“ Bayer zu dem Todesfall in Deutschland: „Die Analyse zeigte, dass dies höchstwahrscheinlich eine idiosynkratische Reaktion war – eine äußerst seltene, dosisunabhängige Reaktion auf Substanzen, die in der Regel von Menschen sicher toleriert werden.“ Bei diesem Fall habe es sich um einen unvorhersehbaren Einzelfall gehandelt.

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