Magenverkleinerung könnte Darmkrebsrisiko senken

Eine Verkleinerung des Magens könnte Darmkrebsrisiko senken
Bei der sogenannten Roux-en-Y-Magenbypass-Operation wird der Magen verkleinert. Die Nahrung gelangt danach nicht mehr in den gesamten Dünndarm, sondern wird direkt in dessen mittleren Abschnitt umgeleitet. Die Gallensäuren und Verdauungssäfte folgen erst später. Die Folge: Der Körper nimmt weniger Kalorien auf, das Körpergewicht sinkt meist deutlich.
Dass stark übergewichtige Menschen nach solch einer Operation seltener an bestimmten Krebsarten erkranken, wurde bislang vor allem dem Gewichtsverlust zugeschrieben. Ob das tatsächlich der Fall ist, hat das Team um Privatdozentin Rebecca Kesselring vom Universitätsklinikum Freiburg in einem aufwendigen Versuch mit Mäusen überprüft.
Im Mausversuch vielversprechend
Die Forscher fütterten eine Gruppe von Mäusen über Wochen mit besonders fettreicher Nahrung, bis sie etwa 50 Prozent an Körpergewicht zulegten. Anschließend wurden die Tiere in zwei Gruppen eingeteilt: Gruppe 1 erhielt einen echten Magenbypass, Gruppe 2 bekam eine Scheinoperation. Beide Gruppen wurden wiederum unterteilt: In beiden Gruppen wurden einige gemästet, die anderen wurden auf Diät gesetzt.
Sechs Wochen später wurde allen Tieren ein besonders aggressiver Darmtumor implantiert. Weitere sechs Wochen später untersuchte man das Fortschreiten des Tumors, mit einem eindeutigen Ergebnis. Bei den Mäusen mit Magenbypass blieben die Tumore fast unverändert klein. In den anderen Gruppen wuchsen sie deutlich schneller.
Auffällig: Nur eine von 20 Mäusen mit Bypass entwickelte Metastasen in der Leber. Bei den Scheinoperierten entwickelten 16 von 20 Tieren Lebermetastasen. Das galt auch für jene, die nach der Scheinoperation auf Diät gesetzt worden waren.
Fazit der Forschenden: Die reine Gewichtsabnahme reichte also nicht aus, um das Tumorwachstum zu bremsen. Das legte nahe: Etwas anderes musste für den Schutz verantwortlich sein.
Der Galle auf der Spur
Die Freiburger Forscher nahmen nun die Gallensäuren ins Visier. Diese werden in der Leber gebildet, in der Gallenblase gespeichert und normalerweise früh im Dünndarm zur Fettverdauung freigesetzt. Nach einer Magenbypass-Operation trifft die Galle jedoch erst später im Darm auf die Nahrung und begegnet dabei auch einer anderen Zusammensetzung der Darmbakterien. Einige dieser Bakterien wandeln die sogenannten primären Gallensäuren aus der Leber in sekundäre Gallensäuren um. Und genau da scheint der entscheidende Punkt zu liegen: Die Konzentration von primären Gallensäuren im Blut war nach dem Bypass deutlich niedriger.
Um die Galle-Theorie zu testen, führten die Forscher eine weitere Operation durch. Diesmal ohne den Magen zu verkleinern. Stattdessen wurde die Gallenblase direkt mit dem unteren Dünndarm verbunden, also an derselben Stelle, an der sie nach einem Bypass landen würde.
Ergebnis: Die Mäuse verloren kein Gewicht, da der Magen normal blieb. Trotzdem wuchsen die Tumore genauso langsam wie nach einem echten Magenbypass. Nur 2 von 20 Tieren entwickelten Lebermetastasen – ähnlich wie beim Bypass.
Auch hier war die Konzentration der primären Gallensäuren im Blut gesenkt.
Labortests bestätigen Einfluss der Galle
Zusätzlich untersuchte das Team winzige „Mini-Tumore“ im Labor, sogenannte Organoide. Wurden sie mit primären Gallensäuren behandelt, wuchsen sie schneller. Und auch beim Menschen fanden sich Hinweise: Blutproben von 41 Darmkrebspatienten zeigten, dass frühe Metastasen häufiger bei Patienten mit hoher Konzentration primärer Gallensäuren auftraten.
Die Erkenntnisse öffnen womöglich neue Wege in der Krebsmedizin. Wenn primäre Gallensäuren das Tumorwachstum fördern, könnte deren Reduktion Schutz bieten. Und zwar nicht nur durch Operationen, sondern auch medikamentös. So könnten etwa Gallensäurebinder, die früher bei hohem Cholesterin verschrieben wurden, eine Rolle spielen. Oder aber durch einen chirurgischen Eingriff, bei dem eine Fistel von der Gallenblase zum Dünndarm gelegt wird, eventuell gleich im Zuge einer Darmkrebsoperation.
Die Forschenden betonen, dass klinische Studien notwendig seien, um herauszufinden, ob dieser Ansatz auch beim Menschen funktioniert und angewendet werden kann.
Die Studie wurde in Science Translational Medicine veröffentlicht.
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