Der Dezember ist so dicht und aufgeladen mit Ritualen. Wie kann man diese sinnvoll gestalten?
Der Dezember bringt einen besonderen Rhythmus mit sich. Er kommt mit religiösen Symbolen, kulturellen Bräuchen und oft mit großen Erwartungen. Für manche ist das beglückend; für andere ist es überfordernd. Zwischen Konsum und Kalenderstress stellt sich dann die Frage: Müssen wir all diese Rituale „abarbeiten“? Oder können sie zu etwas werden, das uns wirklich berührt?
Kurier Abonnenten erhalten 30 Prozent Rabatt auf das Sinnmacher-Abo!
So geht´s:
- Sinnmacher-App im App Store oder Google Play downloaden (QR-Code), über sinnmacher.eu gelangen Sie zu den App-Stores
- kostenloses Profil erstellen
- im Dashboard auf „Profil“ > Abos > bei „Gutscheincode“ KURIER30 (Jahresabo) oder KURIER30m (Monatsabo) eingeben
Ein Ritual ist eine symbolische Handlung. Oder besser gesagt: Eine Handlung wird zu einem Ritual, wenn wir ihre Symbolik wahrnehmen. Wenn wir spüren, dass da mehr ist als das Offensichtliche. Nehmen wir ein Beispiel: Ich zünde an jedem Adventsonntag eine Kerze an. Wenn ich das nur tue, „weil man das halt so macht“, bleibt es eine leere Geste. Wenn ich dabei aber bewusst innehalte, etwa an die Bedeutung des Advents denke oder mich auf etwas anderes besinne, das ich für wichtig halte, dann wird daraus ein Ritual. Ich nutze eine Form, die unzählige Menschen vor mir schon genutzt haben, um auszudrücken: Das ist gerade kein Alltag, keine reine Funktion, sondern mehr. Diese Handlung verbindet mich – mit all denen, die sie auch ausüben; mit unserer Geschichte, vielleicht auch mit etwas Höherem.
Die Rituale im Dezember sind Angebote zur Besinnung. Das ist nichts, was alle Menschen in gleichem Maße interessiert. Und doch kann es eine intensive und
berührende Erfahrung sein, sich einer Form zu überlassen, die durch Tradition geprägt ist. Der Schriftsteller Erhart Kästner hat es eindringlich beschrieben:
„Neben dem Drang, die Welt zu gewinnen, liegt ein eingeborener Drang, immer Selbes aus uralten Formen zu prägen. In Riten fühlt die Seele sich wohl. Das sind ihre festen Gehäuse. Hier lässt es sich wohnen, in den dämmerigen Räumen, die das Liturgische schafft. Hier stehen die gefüllten Näpfe bereit, die Opferschalen der Seele. Hier fährt sie aus, fährt sie ein; gewohnte Gaben, gewohntes Mahl. Der Kopf will das Neue, das Herz will immer dasselbe.“
Ob Nikolofeier, das Schmücken des Christbaums, das Backen von Weihnachtskeksen, Familienfeiern, die Christmette oder der Jahreswechsel mit Donauwalzer und Neujahrsvorsätzen – unsere Seele fühlt sich wohl, wenn wir mit dem Herzen dabei sind. Wenn nicht, werden Rituale zur lästigen Pflicht, zu einer sinnlosen Tätigkeit oder,
bestenfalls, zu einem netten Zeitvertreib.
Deshalb darf ich mich fragen: Auf welches Ritual will ich mich einlassen, und wo fehlt mir der Bezug? Welche Traditionen will ich fortführen? Welche neu beleben, oder mit einer neuen Bedeutung versehen?
Rituale laden ein, für eine Weile aus dem Modus des Leistens und Funktionierens
auszusteigen. Ich kann mich hineinfallen lassen, in die festen Gehäuse. Bei Ritualen
geht es weder um Effizienz noch um Rationalität. Sie müssen nicht perfekt sein. Es braucht keinen makellosen Christbaum, kein aufwendiges Menü, keine teuren Geschenke. Die Aufmerksamkeit auf das Äußere geht auf Kosten der Erfahrung. Die rituelle Struktur schafft den Rahmen dafür, dass etwas die Seele berührt – solange der Rahmen nicht zum Selbstzweck wird.
Kommentare