Unbekannte Viren, die uns nicht krank machen: Was tun sie im Körper?

Diskutierten bei "Spontan gefragt" auf KURIER.TV: Kabarettist und Kinderchirurg Omar Sarsam, Biochemiker Marco Hein, Genetiker Markus Hengstschläger (v. l. n. r.).
„Wenn wir an Viren denken, dann denken wir üblicherweise an Krankheiten – etwa Grippe- oder Coronaviren. Aber es gibt auch Viren, die in uns leben und die uns nicht krank machen“, sagt der Genetiker Markus Hengstschläger. „Und was wäre, wenn wir solche ,friedliche‘ Viren für uns nutzbar machen könnten, sodass sie vielleicht sogar Medikamente von A nach B in unseren Körper bringen können?“
„Anelloviren“ sind eine Gruppe solcher Viren. „Sie infizieren fast alle Menschen nach der Geburt und bleiben ein Leben lang im Körper“, sagt Marco Hein, Biochemiker und Professor für Molekularbiologie an der MedUni Wien, in der neuen Ausgabe des Wissenschaftstalks „Spontan gefragt“ auf KURIER.TV. Die Sendung entsteht in Kooperation mit dem Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds WWTF. Hein ist auch Forschungsgruppenleiter an den Max-Perutz-Labs. „Diese Viren scheinen unter dem Radar des Immunsystems zu fliegen.“
Spontan gefragt: Omar Sarsam und Marco Hein
„Aber wenn diese Viren ein ganzes Leben lang im Körper sind, ohne irgendwie bemerkbar zu sein, können sie dann überhaupt irgendetwas, produzieren sie Proteine, Enzyme?“, fragt Omar Sarsam, Kabarettist und Facharzt für Kinder- und Jugendchirurgie.
Wissenslücken
„Die Biologie dieser Viren ist noch komplett unverstanden“, erläutert Hein. Bei seinem vom WWTF geförderten Forschungsprojekt gehe es darum, diese Wissenslücken zu schließen und die Funktionsweise dieser Viren besser verstehen zu lernen.
Für Sarsam und Hengstschläger, den Moderator der Sendung, ergibt sich aus dem Umstand, dass sie keine bekannten Krankheiten verursachen, eine weitere Frage: „Wenn etwa eine Bauchspeicheldrüse nicht mehr ausreichend Insulin produziert: Könnte man diese Viren so modifizieren, dass sie die Insulinproduktion wieder aktivieren?“
Bestimmte Viren könne man tatsächlich als derartige Werkzeuge, als Transportmittel nutzen, erklärt Hein. Denn Viren benötigen einen Wirt und müssen sich in Wirtszellen einschleusen.“ Es gebe bereits Biotech-Firmen, die genau diese Idee verfolgen: Kann man diese Viren so umbauen, um sie als Vehikel zu verwenden, defekte Organe zu reparieren?
„Immer mehr wächst das Verständnis, dass die Gesamtheit aller Viren im Körper – das Virom – nicht nur schlecht und krankheitsauslösend ist“, sagt Hein: „Bei den Bakterien weiß man schon lang, dass es welche gibt, die in Symbiose mit uns leben. Dass das bei den Viren auch so sein könnte, dass sie uns nicht schaden, ist ein relativ neues Konzept, das man erst zu verstehen beginnt."
Kommentare