Studie: Covid-Impfung verbessert Überlebenschance bei Krebs
Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenem Lungen- oder Hautkrebs, die innerhalb von 100 Tagen nach Beginn der Immuntherapie einen Covid-19-mRNA-Impfstoff erhielten, lebgen deutlich länger lebten als jene, die den Impfstoff nicht erhielten.
Eine neue Studie aus den USA legt einen Nutzen der mRNA-Impfung gegen Covid-19 nahe, der über den Schutz vor schweren Verläufen hinausgeht.
Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenem Lungen- oder Hautkrebs, die zufällig binnen 100 Tagen nach Beginn einer Immuntherapie gegen ihre Erkrankung auch einen Covid-19-mRNA-Impfstoff verabreicht bekamen, lebten länger als jene, die den Impfstoff nicht erhielten. Die Immuntherapien scheinen durch die Impfung deutlich wirksamer zu werden.
Revolution in der Onkologie?
Die Erkenntnisse stammen aus einer Analyse von mehr als 1.000 Patientenakten des Krebszentrums der University of Texas. Sie wurden kürzlich auf dem Krebskongress ESMO in Berlin vorgestellt und in der Fachzeitschrift Nature publiziert.
Die Autorinnen und Autoren sprechen davon, dass die Erkenntnisse "den gesamten Bereich der onkologischen Versorgung revolutionieren könnte", wie Elias Sayour, pädiatrischer Onkologe an der ebenfalls an der Untersuchung beteiligten University of Florida, in einer Aussendung bekundet. Und weiter: "Wir könnten einen noch besseren unspezifischen Impfstoff entwickeln, um die Immunantwort zu mobilisieren und zurückzusetzen, sodass im Grunde genommen ein universeller, serienmäßiger Krebsimpfstoff für alle Krebspatienten entsteht."
Bei den Ergebnissen handelt es sich um vorläufige Daten. Auch unbeteiligte Fachleute reagieren dennoch positiv: Die Ergebnisse zeigen, "wie wirkungsvoll mRNA-Medikamente tatsächlich sind", wird etwa Jeff Coller, führender mRNA-Wissenschafter und Professor an der Johns Hopkins University, in der Aussendung zitiert.
Die Studie umfasste Informationen zu 180 Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkrebs, die innerhalb eines Zeitraums von 100 Tagen vor oder nach Beginn einer Immuntherapie, die inzwischen häufig in der Onkologie eingesetzt wird, einen Covid-Impfstoff erhielten, sowie 704 Patienten, die mit denselben Medikamenten behandelt wurden, aber keinen Impfstoff erhielten. Die Impfung war mit einer fast doppelt so hohen medianen Überlebenszeit verbunden, die von 20,6 Monaten auf 37,3 Monate anstieg.
Von den Patientinnen und Patienten mit metastasiertem Melanom erhielten 43 innerhalb von 100 Tagen nach Beginn der Immuntherapie einen Impfstoff, während 167 Patienten keinen Impfstoff erhielten. Mit dem Impfstoff stieg die Überlebenszeit im Mittel von 26,7 Monaten auf 30 bis 40 Monate. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung lebten einige Patientinnen und Patienten noch, was bedeutet, dass die Wirkung des Impfstoffs bei dieser Krebsart sogar noch stärker sein könnte.
Die Verabreichung von Impfstoffen anderer Art, etwa gegen Lungenentzündung oder Grippe, führte in der Studie zu keiner Veränderung in der Lebenserwartung. Die Kombination aus Immuntherapeutika und Corona-mRNA-Impfstoff hemmten auch in Versuchen an Mäusen das Tumorwachstum.
"Impfung tritt aufs Gas"
Die deutlichsten Effekte zeigten sich bei Patientinnen und Patienten, bei denen aufgrund der Beschaffenheit ihrer Tumoren und anderer Faktoren keine starke Immunantwort zu erwarten war. Bei Lungen- und Hautkrebs setzen Ärzte häufig Medikamente ein, die das Immunsystem dazu anregen, Krebszellen besser zu erkennen und anzugreifen. In fortgeschrittenen Krankheitsstadien sprechen die meisten Patienten jedoch nicht gut auf diese Behandlung an. Andere Behandlungsoptionen wie Bestrahlung, eine Operation oder Chemotherapie sind dann meist schon ausgeschöpft.
Der deutsche Immunologe Carsten Watzl spricht in diesem Kontext ebenfalls von einem vielversprechenden Ansatz. "Die Immuntherapie löst sozusagen die Bremse der Krebszellen fürs Immunsystem, und die Impfung tritt noch dazu aufs Gas", wird der Experte in der Süddeutschen Zeitung zitiert. Mit der Kombination könnten Krebsherde bekämpft werden, die eine der beiden Maßnahmen allein nicht angreifen kann. Einen grundsätzlichen Schutz vor Krebs biete die Corona-mRNA-Impfung aber nicht: "Die mRNA-Impfung allein hilft gegen den Krebs wenig, weil der Tumor Gegenmaßnahmen ergreifen kann", so Watzl.
Weitere Studien nötig
Die beobachteten Zusammenhänge liefern auch keinen klaren Aufschluss über Ursache und Wirkung – ob die Impfstoffe wirklich für das längere Überleben der Patientinnen und Patienten verantwortlich sind, muss in hochwertigen klinischen Studien überprüft werden. "Obwohl der Kausalzusammenhang noch nicht bewiesen ist, ist dies die Art von Behandlungsnutzen, die wir anstreben und die wir uns von therapeutischen Interventionen erhoffen – die wir aber nur selten sehen", zeigt sich Mitautor Duane Mitchell überzeugt.
Sollten sich die Erkenntnisse bestätigen, könnte das den Grundstein für einen Universalimpfstoff gegen Krebs legen – und Krebspatientinnen und -patienten – wie dir Forschenden schreiben – "einen unschätzbaren Vorteil bringen: mehr Zeit".
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