Kommentar Michael Musalek: Gute Vorsätze? Vergessen Sie’s!

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Mehr bewegen, gesünder essen, mit dem Rauchen aufhören – das sind die häufigsten „guten Vorsätze“ der Österreicher. Alle Jahre wieder also, zu Beginn des neuen Jahres: der Wunsch nach einem „neuen Ich“, ein bisserl zumindest. Eine traditionelle, menschliche Gewohnheit, um den Lebensentwurf anders zu gestalten. Doch wie gelingt Veränderung nachhaltig? Die gute Nachricht: Jeder Mensch ist zu einem Neuanfang fähig, das zählt zu seinen besonderen Eigenschaften. Homo sapiens kann planen und das Geplante in Folge auch umsetzen. Klingt nach besten Voraussetzungen für einen Neustart – einzige Voraussetzung, so scheint es: Es muss nur der „richtige“ Wunsch sein.
Laut dem US-amerikanischen Philosophen Harry G. Frankfurt gibt es „Wünsche erster Stufe“ und „Wünsche zweiter Stufe“. Ein Wunsch ersten Ranges ist etwas, das man jetzt und in der Sekunde haben möchte, Wünsche zweiten Ranges sind jene, wo man etwas zwar für richtig und gut hält, aber trotzdem nicht unmittelbar umsetzen will. Daraus speist sich, im weitesten Sinne, der „gute Vorsatz“ – heißt: Ich finde zwar etwas richtig, aber wollen tu’ ich es nicht. Tückisch. Wohl deshalb werden die meisten guten Vorsätze so häufig gebrochen. Die Enttäuschung ist vorprogrammiert. Wenn ein Mensch hingegen mit ganzem Herzen etwas will und sich genau überlegt, was er dafür zu tun bereit ist, steigt die Wahrscheinlichkeit, dranzubleiben.
Mit anderen Worten: Vergessen Sie alle guten Vorsätze! Konzentrieren Sie sich stattdessen lieber auf das, was Ihnen ein echtes Anliegen ist: Was will ich und mag ich mögliche Konsequenzen, die sich daraus ergeben, in Kauf nehmen?

Univ.-Prof. Michael Musalek, Suchtexperte und Psychiater
Eine Innenschau wagen
Ein zentraler Punkt, denn nur dann haben wir eine gute Chance auf Umsetzung. Zumal es schwierig sein kann, mit Gewohnheiten zu brechen. Je länger wir sie „bedienen“, desto beschwerlicher ist es, sie zu verändern. Und trotzdem ermutige ich dazu. Warum? Weil wir es können! Gerade die Suchtbehandlung ist ein gutes Beispiel dafür. Die Erfolgschance jener Menschen, die wirklich etwas verändern möchten, liegt bei 80 Prozent, selbst dort, wo es sich um massive Gewohnheiten oder Formen der Sucht handelt.
Meine Inspiration für all jene, die jetzt, beim Lesen, einen „Ruf“ spüren und veränderungsbereit sind: Wagen Sie eine Innenschau, im Sinne einer Bestandsaufnahme. Fragen Sie sich, wie das alte Jahr gelaufen ist und ob Sie genauso weitermachen wollen, wie bisher. Im nächsten Schritt haben Sie die Freiheit, sich zu überlegen, was Sie verändern wollen – und auf welche Art und Weise. Womit wäre diese Veränderung verbunden, was würde sie konkret bedeuten?
Jetzt gilt es, ehrlich zu sein: Möchte ich das – wirklich? Hier wären wir beim Thema Motivation, wo genau zwei Faktoren ausschlaggebend sind: Alles, was schön und „lebensfreudig“ ist, aber gleichzeitig machbar scheint, hat die besten Chancen auf Umsetzung. Es entwickelt sich das, was wir „starken Willen“ nennen. Und dann ist der Mensch zu jedweder Veränderung fähig.
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