Schmusen statt Schnupfen - wie das Immunsystem fit für den Herbst wird

Küssendes Paar unter einem Regenschirm
Kaum färben sich die Blätter, kratzt der Hals und die Nase läuft. Experten wissen: Für ein starkes Immunsystem braucht es mehr als Vitamine, nämlich Darmgesundheit, Stressbalance – und Nähe.

Von Nicola Afchar-Negad

Seien wir ehrlich: so rein theoretisch ist es klar. Ausgewogene Ernährung, viel Bewegung – man weiß ja, wie es gehen würde. Und dann rinnt die Nase spätestens im Oktober halt doch wieder, der Hals kratzt und überhaupt: die Energielevel tanzen Limbo. Man greift zu Vitamin-C-Tabletten, trinkt Tee und ahnt: so ganz optimal ist das nicht gelaufen. Wieder mal. Was viele nicht wissen: „Das Immunsystem ist nicht nur saisonabhängig, sondern eng mit der Darmgesundheit verbunden. Mehr als 70 Prozent der Immunzellen sitzen hier – diese Verbindung ist noch wenig bekannt.“ Dieser Input kommt von Dr. Dieter Resch, Geschäftsführer im Mayrlife Health Resort. Das „Mayrlife Health Concept“ basiert auf der Medizin-Lehre nach Dr. F.X. Mayr, das Resort wird laufend international ausgezeichnet. Im Fokus steht die Regeneration des Darms – der circa 100 Billionen Mikroben beherbergt – und die damit verbundene Optimierung des Immunsystems.

Kein Schema F

Das gelingt durch zielgerichtetes Fasten, ein Wort, das vielen nicht schmeckt. Konkret: „Die Gäste profitieren von der bewährten Kombination aus medizinisch begleitetem Fasten, individuell abgestimmter Ernährung und ergänzenden Therapien, die Stoffwechsel, Regeneration und Abwehrkräfte gezielt fördern.“ Das Ganze funktioniert wie kurz angeschnitten natürlich nicht nach Schema F, jeder braucht was anderes, so wie auch das Mikrobiom bei jedem Menschen unterschiedlich ist. „Langfristig stärkt dieser zelluläre Reinigungsprozess die Abwehrkräfte, da beschädigte Zellbestandteile abgebaut und erneuert werden.“ Resch bringt auch die Kälteexposition ins Spiel, die vom Spaziergang an der frischen Luft bis hin zur Therapie bei minus 110 Grad Celsius (bei Mayrlife) reichen kann. Eisbaden ist ein Thema, immer mehr Retreats lassen ihre Gäste zittern. Dass diese Workshops und Programme dem Immunsystem helfen, nicht komplett ins Schleudern zu geraten, steht außer Frage. Auch dass man einem in renommierten Medical Resorts zur Seite steht, auch danach – zurück im Alltag – das gute Körpergefühl zu bewahren. 

Im Fall von Mayrlife bedeutet das: „Zwei bis drei Monate nach Abreise bieten wir ein ausführliches Online-Gespräch mit einem Arzt oder Ernährungsberater an, in dem die Fortschritte überprüft und Empfehlungen angepasst werden.“ Denn: Nur wer sich abseits eines Retreats in den circa 50 restlichen Wochen im Jahr wohl fühlt, egal welcher Kindergarten-Bazillus gerade für Furore sorgt oder wie nah einem der niesende Mann im Bus war, hat quasi gewonnen. Und hier braucht es oft mehr als Hagebutte und Thymian, so wichtig die Ernährung auch ist.

Entzündung bedeutet Heilung

Am besten unterhält man sich dazu mit einem Experten in Sachen Psycho-Neuro-Immunologie, einem interdisziplinären Ansatz. „Eigentlich heißt es sogar „Psycho-Neuro-Endokrino-Spirito-Sozio-Immunologie, aber man hat es abgekürzt. Die Wissenschaft untersucht, wie all diese Systeme zusammenhängen und -arbeiten“, ebnet Physiotherapeut Andreas Mitischka den Weg ins Thema. Mitischka erinnert sich an seinen eigenen Einstieg, an einen Vortag, in dem es um „Vitamin D, Omega 3, Schlaf, verborgene Wünsche und Stress“ ging. „Ich hatte schon immer eine große Leidenschaft für außergewöhnliche Denkweisen und Erklärungsmodelle. Eine Ausbildung in Sachen „Klinische Psychoneuroimmunologie“ war die logische Schlussfolgerung. Seine Begeisterung fürs große Wechselspiel ist in jedem Satz spürbar: „Unser Immunsystem ist ein atemberaubendes, ja unglaubliches System, das permanent mit uns kommuniziert. Wenn es sich meldet, kann es viel bedeuten, jedoch nie, dass es uns „pflanzen“ möchte. Entzündung bedeutet Heilung – wir nehmen aber bei jeder kleinen Entzündung und jedem Infekt ein Schmerzmittel und einen Entzündungshemmer.

Was nur wenigen bewusst ist: Dadurch unterbricht man die Kommunikation zwischen Immun- und Nervensystem. Es findet keine klare Kommunikation statt und dadurch auch keine richtige Heilung und Regulation.“ Und weiter: „Es geht einfach um so viel mehr als Entzündungshemmer, Symptombekämpfung, Zink und Vitamin C. Die Menschen haben Schmerzen und bekommen Mittel dagegen, sie können nicht schlafen und bekommen auch dagegen etwas.“ „Dagegen“ sagt eigentlich schon alles. Ein „Dafür“ ist aufwändiger. Mitischka: „Ein unerfüllter Lebenstraum, Einsamkeit, finanzielle Sorgen oder fehlende Ziele im Leben haben massiven Einfluss auf unser Immunsystem. Natürlich kann ich dann abends einen Acerolatee trinken und mir einen Matcha-Gojibeeren-overnight-Porridge zubereiten. 

Oder aber ich schau mal, was mich wirklich am meisten Energie kostet. Stress am Arbeitsplatz ist das eine, Stress am Arbeitsplatz einer Tätigkeit, die mich nicht interessiert, was ganz anderes.“ Klare Worte, die von Studien genauso klar gestützt werden. Zwei Beispiele: Eine Studie im International Wound Journal (2024) zeigt, dass psychischer Stress die Wundheilung um bis zu 30 P verlangsamen kann – Stresshormone (in letzter Zeit viel diskutiert: Cortisol) bremsen die Aktivität von Immunzellen. Oder: Bei vielen Patienten mit Depressionen findet man erhöhte entzündliche Botenstoffe, ein Zeichen dafür, dass die Erkrankung nicht nur psychisch, sondern auch biologisch verankert ist (2020, Frontiers in Psychiatry). Die Psychoneuroimmunologie (PNI) liefert biologische Marker für Leiden, die man früher als „psychosomatisch“ abgetan hat. Ein Review aus dem Jahr 2024 hebt hervor, dass Stress die Verteilung und Aktivität von Immunzellen verändert. Ob hier ein paar Yogastunden gegen die Systemsprenger helfen – fraglich. Auch Mitischka spricht viel von „low grade inflammation“. „Eine chronisch milde Aktivierung des Immunsystems ist in der Psychoneuroimmunologie die Basis etlicher chronischer Erkrankungen. Das heißt nicht, dass bei gutem Entzündungsmanagement jede Krankheit aufzuhalten wäre, aber dem Körper dabei zu helfen, wäre ein guter Anfang. Es gibt zum Glück immer mehr Ärzte, die das auch so vermitteln.“

Nicht auf ein Schiff am Bahnhof warten

Langandauernde Erkrankungen, eine Besonderheit, über die Mitischka ebenfalls spricht – auch als Referent. „Wenn ich Probleme habe – insbesondere eine chronische Erkrankung – kann ich nicht morgens aufstehen und immer wieder das Gleiche machen. Das wäre vergleichbar damit, am Bahnhof auf ein Schiff zu warten. Nicht nur für ein paar Wochen, sondern grundsätzlich.“ Ein Schiff wird vielleicht nicht kommen, aber eventuell ein Umdenken. Was Mitischka den Menschen gerne mitgeben würde? „Das Wichtigste für mich? Bewusstsein über die Komplexität des Wunders Mensch zu vermitteln. Ich kann keinen chronischen Rückenschmerzpatient 80 mal zur Physiotherapie kommen lassen, das ist in meinen Augen verantwortungslos. Die Menschen brauchen eine interdisziplinäre Betreuung.“ Es folgen praktische Tipps von Mitischka: „Genießt euer Leben, sucht euch Ziele! Esst lebendiges Essen, bewegt euch viel! Geht raus in die Natur und schmust mehr!“ Letzteres verbessere schließlich das sekretorische Immunglobulin A, das an der Darmgesundheit beteiligt ist.

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