Handynutzung: Je jünger die Kinder, desto schwerer die Folgen

Ein Kind mit Smartphone in der Hand.
Es mag verlockend wirken, einem quengelnden Kleinkind ein Smartphone oder ein Tablet in die Hand zu drücken, um es still zu beschäftigen. Fasziniert von den bunten Bewegtbildern, können auch die Jüngsten die Zeit und damit alles um sich herum vergessen.
Doch immer mehr Studien zeigen, dass Handynutzung besonders in den ersten Lebensjahren zu erheblichen Entwicklungsverzögerungen führen kann. Sitzen Kinder unter 4 Jahre regelmäßig vor dem Bildschirm, haben sie schlechtere grob- und feinmotorische Fähigkeiten, sind langsamer bei der Bewältigung einfacher Aufgaben und stellen sich beim Spielen weniger geschickt an. Das ergab eine aktuelle japanische Studie, die im renommierten Fachjournal JAMA Pediatrics veröffentlicht wurde.
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Dazu gibt es erschreckende Zahlen aus Österreich: Schon 2020 zeigte die letzte Studie der Initiative SaferInternet.at, dass 72 Prozent der 0- bis 6-Jährigen zumindest gelegentlich digitale Medien nutzen. Ein neuer Leitfaden der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin soll Orientierung geben:
Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin hat neue Empfehlungen für den optimalen Umgang mit Smartphone, Computer und TV-Gerät veröffentlicht. Die Experten raten in jedem Alter, Interesse an dem zu zeigen, was Kinder am Bildschirm machen. Handy und TV beim Essen sind tabu! Nicht vergessen: Eltern sind die größten Vorbilder bei der Nutzung von Medien.
- 0 bis 3 Jahre: Babys und Kleinkinder sollen möglichst keine Zeit vor dem Bildschirm verbringen und auch nicht zuschauen, wenn Eltern oder ältere Geschwister Handy, Konsole oder TV nutzen
- 3 bis 6 Jahre: Die Bildschirmzeit sollte auf maximal eine halbe Stunde am Tag begrenzt sein, mit medienfreien Tagen dazwischen. Kinder brauchen klare Regeln und Begleitung durch die Eltern. Tipp: Eine Sand- oder Stoppuhr können beim Verständnis helfen
- 6 bis 9 Jahre: In manchen Schulen werden Computer und Tablets bereits für Hausaufgaben verwendet. Klar abgetrennt davon können 30 bis 45 Minuten täglich vor dem Schirm verbracht werden. Um Gewohnheiten zu vermeiden, sollte die Mediennutzung auf einzelne Tage beschränkt werden
- Ab 9 Jahre: Kinder mit eigener Konsole verbringen doppelt so viel Zeit mit Computerspielen wie Kinder ohne eigene Spielkonsole. Tipp: Konsole im abgeschlossenen Schrank aufbewahren
Kinder brauchen das Wechselspiel mit Bezugspersonen
Warum Smartphone und Co. vor allem in Gegenwart der Jüngsten tabu sein sollten, erklärt Werner Sauseng von der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (kinderaerzte-im-netz.at): „Je jünger die Kinder sind, desto schwerwiegender können die Folgen häufigen Medienkonsums sein. Denn kleine Kinder machen wichtige Entwicklungsschritte durch und benötigen das Wechselspiel mit ihren Bezugspersonen, um u. a. Kommunikationsfähigkeit, Problemlösungsfähigkeit sowie soziale Fähigkeiten zu erwerben.“
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So reagieren Eltern auf ihren Säugling etwa mit übertriebener Mimik, sprechen besonders deutlich bzw. in Babysprache und wiederholen Gesagtes häufig. Dabei unterstützen sie die Bindung und Sprachentwicklung. Sind Eltern in der Gegenwart des Kindes ständig von einem Bildschirm abgelenkt, gehen wichtige Interaktionen verloren, warnt Sauseng und verweist auf Studien, wonach betroffene Kinder zu auffälligem Verhalten sowie Schlaf- und Essstörungen neigen.
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Nicht nur Eltern, sondern auch Geschwister haben bei der Mediennutzung eine große Vorbildrolle. Bildschirmzeiten sollten unter Anwesenheit der Eltern nur schrittweise erhöht und nicht als Belohnung, Bestrafung oder Ablenkung eingesetzt werden.
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