Scham bis Frust: Wie Fitness-Apps unsere Psyche belasten

Ein Mann lehnt sich an eine Langhantelstange im Fitnessstudio und schaut auf sein Smartphone.
Gefühle von Scham, Enttäuschung und Demotivation können mit der Nutzung kommerzieller Fitness-Apps einhergehen, zeigt eine britische Studie.

Kalorien zählen, körperliche Aktivitäten verfolgen, Lebensmittel auf ihre Inhaltsstoffe prüfen: Diese und etliche andere Funktionen bieten Fitness-Apps ihren Nutzerinnen und Nutzern. Forschungen des University College London und der Loughborough University zeigen nun jedoch, dass ihre Nutzung auch emotional belasten kann. 

Mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) analysierten die Forschenden fast 60.000 Postings von Fitness-App-Usern auf Twitter (die Datenerhebung fand vor der Umbenennung des sozialen Netzwerks auf X statt). Die Beiträge standen inhaltlich im Zusammenhang mit fünf populären Fitness-Apps: MyFitnessPal, Strava, WW (ehemals Weight Watchers), Workouts by Muscle Booster, Fitness Coach & Diet und FitCoach. 

Die meisten Beiträge bezogen sich auf MyFitnessPal, wobei Strava und WW ebenfalls in einem großen Teil der Beiträge vorkamen.

Fitness-Apps lösen Gefühle von Scham und Frust aus

Es zeigte sich, dass das Protokollieren des Konsums ungesunder Nahrungsmittel bei Nutzerinnen und Nutzern Gefühle von Scham auslösen kann, während Benachrichtigungen, die zum Protokollieren der Kalorienaufnahme oder zur Reduktion des Zuckerkonsums anregen, mit Genervtheit, Frustration, Ärger und Wut einhergehen können. Mit Enttäuschung und Unzulänglichkeitsgefühlen reagieren Userinnen und User, wenn vom App-Algorithmus generierte Abnehmziele nicht erreicht werden. In einigen Fällen führten diese Erfahrungen zu deutlichem Motivationsverlust.

Das Team um die Psychologin und Expertin für digitale Gesundheit, Paulina Bondaronek, empfiehlt Anbietern, sich vom starren Kalorienzählen zu lösen und stattdessen einen ganzheitlicheren Ansatz zu verfolgen, der sich auf das Wohlbefinden insgesamt konzentriert.

"Nur wenige Studien haben sich bisher mit den potenziellen negativen Auswirkungen dieser Apps befasst. Soziale Medien liefern eine riesige Menge an Daten, die uns helfen könnten, diese Auswirkungen zu verstehen", wird Bondaronek in einer Aussendung zitiert. "Anstelle von sehr engen, starren Erfolgskriterien, die sich auf die Höhe des Gewichtsverlusts beziehen, sollten Gesundheits-Apps das allgemeine Wohlbefinden in den Vordergrund stellen und sich auf die intrinsische Motivation konzentrieren – d. h. auf die Freude oder Zufriedenheit, die mit den Aktivitäten verbunden ist."

Festgelegte Ziele oft unrealistisch

Kritisiert wird in der Studie im British Journal of Health Psychology auch, dass von Fitness-Apps festgelegte Ziele oft nicht auf Empfehlungen von Gesundheitsbehörden basieren, sondern sich nach den Gewichtszielen der Nutzer richten, was zu unrealistischen oder unsicheren Empfehlungen führen kann.

Sich selbst zu beobachten und Handlungen gezielt zu planen, sei eine wirkungsvolle Technik zur Verhaltensänderung, betont Psychologin Bondaronek. "Aber wir müssen lernen, freundlicher zu uns selbst zu sein. Wir sind gut darin, uns selbst Vorwürfe zu machen und zu beschämen, weil wir glauben, dass uns das hilft, besser zu werden, aber tatsächlich hat es den gegenteiligen Effekt."

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