Erste Erkenntnisse: Antidepressivum könnte Coronavirus hemmen

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Ein gängiges Medikament gegen Depressionen bietet sich einer deutsche Studie zufolge möglicherweise als Mittel zur Covid-19-Behandlung an.

Viel wurde in den vergangenen Wochen und Monaten darüber diskutiert, in welcher Form gewisse bereits am Markt verfügbare Medikamente den Verlauf von Covid-19 abschwächen oder positiv beeinflussen können. Darunter etwa das Ebola-Medikament Remdesivir, der Malaria-Wirkstoff Hydroxychloroquin oder Dexamethason, das seit 1960 zur Behandlung von unterschiedlichen Entzündungen, bei rheumatoider Arthritis oder Asthma eingesetzt wird. Ob und wie gut diese Präparate gegen Covid-19 wirken, ist noch nicht abschließend geklärt.

Die Julius-Maximilians-Universität Würzburg bringt nun einen neuen Kandidaten aufs Tapet: Seit mehr als vier Jahrzehnten wird der Wirkstoff Fluoxetin beim Menschen zur Behandlung von Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen verabreicht. Jetzt könnte das Medikament auch im Kampf gegen Covid-19 zum Einsatz kommen.

Wie eine Studie von Virologen und Chemikern der Julius-Maximilians-Universität Würzburg zeigt, hemmt Fluoxetin die Vermehrung der Viren vom Typ SARS-CoV-2 deutlich. Nach Ansicht der Wissenschaftler bietet es sich deshalb vor allem zur frühen Behandlung von infizierten Patienten an, die einer der bekannten Risikogruppen angehören.

Die Ergebnisse der Studie wurden auf einem Preprint-Server veröffentlicht. Den wissenschaftlichen Begutachtungsprozess hat die Erhebung also noch nicht durchlaufen.

Wirkstoffsuche unter Zeitdruck

Bevor neue Wirkstoffe beim Patienten zum Einsatz kommen, müssen sie diverse Stufen klinischer Studien durchlaufen, die sehr zeitaufwändig sind. Weil diese Zeit fehlt, haben die Würzburger Wissenschaftler einen anderen Weg gewählt: "Wir haben uns in unseren Untersuchungen auf bereits zugelassene Medikamente konzentriert und erforscht, ob diese sich als wirksame Inhibitoren von SARS-CoV-2 eignen", erklärt Studienleiter Jochen Bodem.

So genannte "Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer" (SSRI) standen im Mittelpunkt einer ihrer Studien. SSRI bilden eine der bedeutendsten Wirkstoffgruppen gegen Depressionen und weitere psychische Erkrankungen. Fluoxetin zählt beispielsweise zur Klasse der Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, wurde in den 1970-Jahren in Kliniken eingeführt und ist ein sehr gut erforschtes Medikament.

Im Labor haben die Wissenschaftler menschliche Zellen mit dem Wirkstoff in Kontakt gebracht in Konzentrationen, die üblicherweise bei der Therapie von Depressionen erreicht werden. Anschließend wurden die Zellen mit SARS-CoV-2 infiziert. Nach einigen Tagen wurde die Auswirkung auf das Virus kontrolliert. Die Ergebnisse sind vielversprechend: "Fluoxetin hemmt SARS-CoV-2 bereits in einer sehr geringen Konzentration", sagt Bodem.

Eingriff in die Proteinexpression

Verantwortlich dafür scheint allerdings nicht die eigentliche Aufgabe von Fluoxetin zu sein – der Eingriff in den Serotin-Wiederaufnahme-Prozess. Dafür spricht unter anderem die Tatsache, dass in der Studie andere Medikamente aus der Gruppe der SSRI wie Paroxetin und Escitalopram die Vermehrung von SARS-CoV-2 nicht behinderten. Die antivirale Wirkung hängt also nicht mit dem Serotonin-Wiederaufnahme-Rezeptor zusammen. Stattdessen hemmt Fluoxetin die Proteinexpression in dem Virus, wie Untersuchungen mit Immunfluoreszenz an einem vom Patienten gewonnenen Antiserum zeigten. Es hindert damit das Virus daran, die Bausteine zu bilden, die es für seine Vermehrung in der menschlichen Zelle benötigt.

Was die Studie ebenfalls zeigt: Fluoxetin wirkt sehr speziell auf Viren vom Typ SARS-CoV-2. Bei anderen Viren, wie etwa dem Tollwutvirus, dem Humanen Respiratorischen Synzytial-Virus, dem humanen Herpesvirus 8 oder dem Herpes-simplex-Virus Typ 1, konnten die Wissenschaftler keine Effekte beobachten. "Es spricht also alles dafür, dass Fluoxetin virusspezifisch wirkt, dennoch muss die Wirkung im Erkrankten bestätigt werden", so Virologe Bodem.

Seit mehr als 40 Jahren im klinischen Einsatz, gut erforscht, das Patent längst abgelaufen, von verschiedenen Firmen erhältlich und relativ günstig. Aus Sicht der Wissenschaftler spricht danach vieles dafür, Fluoxetin bei der frühen Behandlung von SARS-CoV-2-infizierten Patienten in Heilversuchen und Studien einzusetzen, zumal bekannt ist, dass Fluoxetin die Zytokin-Ausschüttung stark vermindert und somit einen zusätzlichen Nutzen für Erkrankte hätte.

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