Drip-Tripping: Der Hype um Beautyinfusionen

Auf Social Media werden immer wieder Wunder-Vitamine und Nährstoffe gehypt. Die bekommt man in „Drip Bars“, als Infusion.
Von Nicola Afchar-Negad
Die Kundin der Tagesklinik hat sich ein Angebot gesichert: den Glow-Drip oder einfacher gesagt – eine Beauty-Infusion. Es gibt auch „Flu Fighter“, „Restoration“ oder „Shield“-Varianten. Man kann sich meistens recht schnell einen Reim darauf machen. Neu ist das nicht. Drip-Bars gibt es seit Jahren und wie es immer so ist: Irgendwann erreicht so ein Trend eine gewisse Breitenwirksamkeit. „Es ist vielen nicht bewusst, dass jede Wirkung auch Nebenwirkungen mit sich bringt“, hakt Mag. Ariane Hitthaller, Ernährungswissenschaftlerin und Buchautorin aus Oberösterreich ein. „Auch vermeintlich gesunde Präparate können sich negativ, manchmal schädigend, auswirken.“ In Zeiten, in denen sich viele oft nur noch auf Social Media informieren, wird es eng in Sachen Beipackzettel. 20 Prozent der US-Amerikaner verlassen sich laut einer Studie auf News aus diesen Kanälen, bei den Jungen sollen es fast 40 Prozent sein. News-Influencer generieren Milliarden an Views. Wer etwa den Hashtag NAD+, das ist der letzte Schrei in Sachen Infusionen eingibt, wird geflutet mit vermeintlich seriös aussehenden Info-Grafiken. Hitthaller kennt die Problematik: „Noch nie zuvor waren Gesundheit, Medizin und deren Errungenschaften so schnell verfügbar und in aller Munde. Dr. Google und vor allem Influencer sind eine globale Herausforderung.“
Sinnvoll nach Vollblutanalyse
Klar ist: Vitamin- und Nährstoff-Infusionen können Sinn machen – nach einer Vollblutanalyse. „Ich habe täglich die Mikronährstoff-Profile meiner Kunden am Tisch. Dabei zeigt sich leider oft, dass viele Menschen Mängel zeigen. Das resultiert einerseits aus einer einseitigen Ernährung, die zudem zu einem Großteil aus hoch verarbeiteten Lebensmitteln besteht. Darüber hinaus haben wir eine gesamtgesellschaftliche Zunahme an Stress und psychologischen Phänomenen wie Angst. Wenn man dann bedenkt, dass der Körper im Dauerstress vier bis fünf Mal mehr Magnesium benötigt, ist es rein mit der Ernährung kaum möglich, diesen Bedarf zu decken. Meine Formel lautet: Messen statt Essen.“ Mikronährstofftherapien liegen, so die Beraterin, „im Trend. Gerade deshalb muss man sehr achtsam sein.“
„Wenn es früher hell wird, will der Mensch mehr in seinem Alltag unterbringen. Das erschöpft natürlich schneller“, sagt Susanne Hofmann, Apothekerin der St. Charles Apotheke in Wien. Mit Vitamin D oder dem CoEnzym Q10 „kann man da gut gegensteuern“. Die Expertin für Nahrungsergänzungsmittel (NEMs) sieht in der täglichen Praxis, dass „Grunderkrankungen immer mit Nährstoffmangel einhergehen. Die Laborkontrolle, die wir dabei andenken, gibt uns fast jedes Mal recht.“ Schwangere, Raucher, Menschen mit Dauermedikation, aber auch Sportler: einige sind nochmal mehr gefährdet in einen Nährstoffmangel zu rutschen. Im Frühling rät sie vor allem zu einem Aufbau der Darmflora. „Eine große Rolle spielen da Probiotika, Omega 3 Fettsäuren und Zink“. Wichtig: „Wie ihr Name schon sagt sollen diese Mittel die gesunde Ernährung unterstützen bzw. den Mehrbedarf bei Erkrankungen decken.“
In dieselbe Kerbe schlägt auch Dr. Mariel Silva, Medical Service Director der SHA Wellness-Clinic in Spanien. In der Sha-Online-Boutique gibt es quasi Themen-Supplements, zum Beispiel „Detox“ oder auch „Sleep“. Auch Silva betont nach Rücksprache einen personalisierten Ansatz. Denn: „Jeder Mensch ist schließlich einzigartig.“
Wer welche Mittel braucht
„Selenmangel kann Schilddrüsenerkrankungen begünstigen. Kalziummangel kann fördert genauso wie ein Vitamin-D-Mangel Osteoporose. Eisenmangel macht müde und kurzatmig. Aber: die Liste ist noch viel länger.“ Welche Vitamine und Nährstoffe man braucht bzw. vielleicht auch ergänzen sollte, hängt von vielen Faktoren ab. Jahreszeit, Geschlecht, Alter Lebensphase wie etwa Schwangerschaft. „Insbesondere nach der Wintersaison empfehle ich die Gesundenuntersuchung – und gegebenenfalls die Untersuchung von Parametern wie Eisen, B12, Folsäure und Vitamin D.“ Theoretisch ist das vermutlich den meisten klar, praktisch gehen circa 12 Prozent der relevanten Bevölkerung laut SVS jährlich zur Gratis-Vorsorgeuntersuchung.
Und welche Bedeutung hat das bereits erwähnte NAD+? Das lebenswichtige Coenzym kommt in jeder Zelle unseres Körpers vor. Stars wie Jennifer Aniston oder Kim Kardashian berichten über ihre positiven Erfahrungen mit Infusionen zur Zellverjüngung. „NAD+ spielt eine zentrale Rolle im Energiestoffwechsel. Bei mitochondrialer Dysfunktion können die Spiegel reduziert sein. Wenn Menschen an starker Müdigkeit oder Erschöpfung leiden, kann man an diese Infusionen denken, sie sind aber kostspielig. Daher die Empfehlung: Zuerst Mängel ausgleichen und sich an erfahrene Mediziner und Experten wenden“, so die Expertin. „Hilft’s nix, schadet’s nix“ könne man nicht gelten lassen. Es könne bei solchen Drips zu Schwindel und Übelkeit kommen. Seriöse Anbieter klären darüber allerdings natürlich auf.
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