Dolce Vita für graue Zellen: Kann Ernährung Demenz vorbeugen?

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Neurowissenschafterin Manuela Macedonia trainiert das Gehirn mit dem Kochlöffel. In ihrem neuen Buch erklärt sie, wie Obst, Gemüse und Fleisch das Gedächtnis beleben und der Demenz vorbeugen.

Von Karin Lehner

Pfeffer ist Manuela Macedonias Lebenselixier. Die in Linz lebende Neurowissenschafterin mit italienischen Wurzeln gibt ihn sogar in den Tee. Schließlich ist das Gewürz reich an Piperin. Das Alkaloid wirkt entzündungshemmend und lässt den Körper auch andere Nährstoffe Stoffe besser aufnehmen. „Wie Studien an Alzheimer-kranken Mäusen zeigen, hat Piperin auch einen günstigen Effekt auf das falsch gefaltete Beta-Amyloid-Protein. Seine Ablagerung ist das Hauptmerkmal der Erkrankung“, erklärt Macedonia, die an der Johannes Kepler Universität tätig ist.

Gehirntraining via Genuss

In ihrer Forschung stehen allerdings graue Zellen des Menschen im Mittelpunkt. Ebenso in ihrem neuen Buch „Koch dich klug. Genussvolle Rezepte für ein gesundes Gehirn“ (siehe unten). Hier beschreibt die Autorin die Küche ihrer Familie aus dem Aosta-Tal und deren  positive Auswirkung auf graue Zellen. Das würden aktuelle Studien der Neuro- und Ernährungswissenschaft belegen „Was wir zu uns nehmen, wirkt sich auf alle geistigen Funktionen und die Psyche aus.“

Also trinkt Macedonia jeden Tag eine Kanne ihres selbst zubereiteten Winter-Tees aus den frisch geriebenen Wurzeln von Ingwer, Kurkuma und Süßholz. Ingwer schützt mit 6-Schogaol und 6-Gingerol Gehirnzellen vor freien Radikalen und „wirkt stark entzündungshemmend“. Auch Kurkuma regt die Gedächtnisleistung und Bildung von Docosahexaensäure (DHA) an. „Letzteres ist essenziell für die Elastizität der Zellmembran und Kommunikation von Nervenzellen.“ Süßholz enthält Glycyrrhizin. „In Untersuchungen mit Mäusen konnte es Alzheimer-, Parkinson- und Multiple-Sklerose-Erkrankungen verringern.“ Das gilt derzeit nur für Nager.

Fisch statt Ölkapseln

Basis für geistige Fitness beim Menschen sind frisch gekochte Gerichte statt industrieller Fertignahrung. Letztere befeuern über Transfette, die die Immunantwort erschöpfen, stille Entzündungen im Gehirn.  „Die Zellmembranen verlieren an Elastizität, das Gewebe verändert sich. Langfristig kann das zu Neurodegeneration und sogar Demenz führen“, erklärt Macedonia.

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Butter und Eier schützen die Gehirnzellen, weiß die Linzerin Manuela Macedonia. 

Dem trendigen Aufpeppen von schlechter Ernährung durch Nahrungsergänzungsmittel erteilt die Autorin eine Absage. „Sie sind für den Körper nicht so leicht aufzunehmen wie aus guten Lebensmitteln, Stichwort Bio-Verfügbarkeit.“ Also besser fetten Kaltwasserfisch genießen statt Fisch-Ölkapseln schlucken. 

Tierische Fette würden durch ihre -Säuren, besonders gesättigte und bestimmte ungesättigte, sowie die fettlöslichen Vitamine E, A, D, K das Gehirn von oxidativem Stress schützen. Und außerdem die Arbeit von Synapsen, Membran und Nervenzellen unterstützen. Ernährungswissenschafter propagieren hingegen eher pflanzliche Fette.  

Butter als Gehirnturbo

Macedonia ist aus ihrer neurowissenschaftlichen Perspektive dennoch ein Fan von Butter. Schließlich enthält sie die Vitamine A, D, E sowie K. „Sie unterstützen den Zellschutz, Energiehaushalt und antioxidative Prozesse.“  Internisten und Kardiologen sind hier jedoch strenger und raten nur zum Genuss in Maßen, Stichwort Cholesterin. 

Eier liefern hingegen hochwertiges Protein mit allen essenziellen Aminosäuren, die zur Zellreparatur und Neurotransmitterbildung beitragen. „Und das Cholin im Eigelb optimiert die Signalübertragung“, so die Wissenschafterin.

Für die reibungslose Funktion der grauen Zellen braucht das Gehirn auch Zucker. Das soll aber kein Aufruf zum hemmungslosen Schokolade-Konsum sein, sondern ein Plädoyer für gesunden Genuss. „Wenn ich Lust auf Süßes habe, esse ich Joghurt mit Beeren, Nüssen und etwas Honig.“  

Minestrone als Vorsorge

Minestrone ist für Macedonia die perfekte Verbindung von Genuss und Gehirntraining. „Ihre Aromen wirken stark entzündungshemmend.“ Das Quercetin der Zwiebel (auch in Apfelschale enthalten) wirkt sich positiv auf die Durchblutung des Oberstübchens aus. Das Luteolin des Staudenselleries unterstützt laut Tierversuchen die synaptische Plastizität. Also die Fähigkeit, Verbindungen zwischen Nervenzellen zu stärken oder neu zu bilden, essenziell für Lernen und Denken. Die Karotten in der Suppe sind reich an Beta-Carotin. Der Vorläufer des Antioxidans Vitamin A kann freie Radikale neutralisieren und Zellmembranen schützen.

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„Koch dich klug!“ ist bei edition a erschienen. 240 Seiten, 28 Euro  

Gutes Olivenöl versorgt mit Omega-9-Fettsäuren die Zellmembranen, was für die Signalübertragung zwischen Neuronen wichtig ist. Und die Kartoffeln unterstützen mit ihrem Vitamin B6 die Herstellung wichtiger Botenstoffe. Zum Beispiel von Serotonin für Stimmung, Schlaf und Wohlbefinden, Dopamin für Motivation und Aufmerksamkeit sowie Gamma-Aminobuttersäure (GABA) für Ruhe und Fokus.

Früh übt sich

Der Einfluss von Ernährung auf das Gehirn beginnt schon im Mutterleib. Die Mahlzeiten der Frau beeinflussen die Entwicklung der grauen Zellen des Babys. „Nimmt die werdende Mama hier Transfette zu sich, kann das den Bauplan des Baby-Gehirns verändern. Das kann später einen negativen Einfluss auf das Gedächtnis des Kindes haben.“ Genießt die Mutter hingegen Karottensaft, trinkt das Ungeborene über das Fruchtwasser mit und wird ihn später auch mögen.

Auch Kinder von Vätern, die zur Zeit der Zeugung Alkohol zu sich nahmen, sind später „kognitiv schlechter drauf, weil sich Letzterer über Ribonukleinsäure (RNA) in die Gene des Babys einbaut“. Die Vorsorge für graue Zellen kann also gar nicht früh genug starten.

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