Coronavirus: Forscher zweifeln russische Impfstoff-Studie an

Entwicklung von Coronavirus-Impfstoffen
Wissenschafter weltweit fordern Einblick in die Daten. Indien dagegen setzt weiter auf das Serum aus Russland.

"Sputnik V" ist in Verruf: Nach der Veröffentlichung einer Studie zum neuen russischen Corona-Impfstoff im medizinischen Fachblatt "The Lancet" hagelt es international Kritik von Forschern. Wegen der vielen Fragen hat die Zeitschrift nun die Autoren der russischen Impfstudie zu einer Stellungnahme aufgerufen.

Sie seien eingeladen worden, auf offene Fragen zu antworten, sagte eine Sprecherin der Fachzeitschrift. "Wir verfolgen die Situation weiterhin genau."

"Einige Bedenken"

Hintergrund ist ein offener Brief von rund 40 internationalen Wissenschaftern. Sie äußern darin erhebliche Zweifel an der Studie. Nach ihrer Ansicht wirft "die Darstellung der Daten einige Bedenken auf". Die Forscher um den Molekularbiologen Enrico Bucci fordern von Moskau den Zugriff auf die Originaldaten für eine vollständige Untersuchung. Die Erwartungen der Bevölkerung an einem wirksamen Impfstoff seien verständlicherweise hoch, hieß es zur Begründung.

Seit der Freigabe Mitte August in der Kritik

Das in Russland entwickelte Serum gegen das Coronavirus war das weltweit erste, das für eine breite Anwendung in der Bevölkerung zugelassen wurde. Bereits nach der Freigabe Mitte August gab es international Kritik, weil sie vor Abschluss wichtiger Tests erfolgte. Das russische Team hatte seine Studie über das Vakzin zu Monatsbeginn in dem Fachblatt "The Lancet" veröffentlicht. Zuvor hatten mehrere deutsche Medien über die Kritik an der Studie berichtet.

"Daten mit seltsamen Mustern"

"Die Daten enthalten sehr seltsame Muster", sagte Bucci dem Portal "Moscow Times". Er verwies zum Beispiel auf Ergebnisse, die die Bildung von Antikörpern beschreiben. Dabei gebe es gleiche Werte für verschiedene Gruppen von Patienten. So viele Duplikate seien höchst unwahrscheinlich, sagte er. "Es ist so, als würde man einen Würfel werfen und mehrmals genau dieselbe Zahlenfolge erhalten."

Russland glaubt an gute Wirkung

Die russische Staatsagentur Tass meldete, dass die Entwickler des Impfstoffes in Moskau bereits Antworten auf Fragen an das Blatt geschickt hätten, die "für ihre westlichen Kollegen von Interesse waren". Nach russischer Darstellung erzeugt der Impfstoff Antikörper. Er sei auch frei von schwerwiegenden Nebenwirkungen. Kremlchef Wladimir Putin sagte, auch seine Tochter habe sich impfen lassen.

Indien will 100 Millionen Dosen

Auch Indien will im Kampf gegen das Coronavirus auf das russische Serum setzen. So haben eine indische Pharmafirma und Russlands Staatsfondsabgemacht, dass sie 100 Millionen Dosen eines potenziellen Corona-Impfstoffes auf dem Subkontinent verteilen wollen. Sollten Tests mit „Sputnik V“ erfolgreich ablaufen und indische Behörden ihn zulassen, könnte der Impfstoff Ende 2020 in Indien bereitstehen, hieß es in einer gemeinsamen Pressemitteilung.

Tests auf dem Subkontinent

Trotz internationaler Kritik wird die indische Pharmafirma Phase-3-Tests in eigenen Land durchführen; die Wirksamkeit und Sicherheit des Impfstoffs sollen so für die indische Bevölkerung geprüft werden. Der Impfstoff benötigt eine Zulassung.

5 Millionen Covid-Fälle in Indien

In Indien gibt es fünf Millionen bekannte Corona-Fälle. Das sind weltweit die zweitmeisten registrierten Infektionen. Nur in den USA gibt es mehr. In absoluten Zahlen gerechnet steigen die bekannten Neuinfektionen in der südasiatischen Nation seit Wochen schneller als in jedem anderen Land. In den vergangenen 24 Stunden kamen mehr als 90.000 neue Fälle dazu, in der vergangenen Woche rund 600.000, wie offizielle Zahlen zeigen. Auch gibt es anders als in den USA keinen Hinweis auf ein Abflachen der Kurve. Inzwischen berichten örtliche Medien auch, dass in mehreren Regionen der medizinische Sauerstoff für Patienten knapp wird. Einige sollen deshalb gestorben sein.

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