Lokaler Chikungunya-Fall in Mitteleuropa: Was bedeutet das für Österreich?

Eine asiatische Tigermücke.
Der Fall sorgt für Aufsehen: Im Elsass, Frankreich, hat sich ein Mensch mit dem Chikungunya-Virus angesteckt – es handelte sich dabei um keinen Rückkehrer aus den Tropen oder Subtropen, sondern um eine Person, die sich nur rund um Straßburg aufgehalten hat. Die eingewanderte asiatische Tigermücke kann das Chikungunya- und auch das Dengue-Virus übertragen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Ist das der erste lokale Fall in Europa?
Nein, aber der erste Fall der tropischen Fieberkrankheit in Mitteleuropa. Es gab bereits lokale Ausbrüche in Südeuropa (Italien, Südfrankreich, Spanien). Bei einem Ausbruch 2007 in der Nähe von Ravenna wurden mehr als 200 Fälle bestätigt. In den vergangenen Wochen gab es sechs weitere inländische Chikungunya-Fälle in Südfrankreich, die meisten nahe der Mittelmeerküste.
Eine Chikungunya-Erkrankung äußert sich klassisch mit Fieber, Muskel- und Gelenkschmerzen (Chikungunya = "der gekrümmt Gehende"), Kopfschmerzen und oft auch einer Bindehautentzündung. Die akute Erkrankung klingt üblicherweise nach etwa einer Woche ab.
"Diese Gelenks- und Muskelschmerzen können sehr unangenehm sein und so weit gehen, dass die betreffende Person in ihrem täglichen Leben stark behindert wird", betont Kollaritsch. "Bei 20 bis 25 Prozent der Betroffenen halten die Gelenksbeschwerden über Monate, teilweise sogar über Jahre, an." Im schlimmsten Fall kann es zu einer Bewegungsunfähigkeit kommen.
Wie kommt es zu diesen Infektionen in Europa?
„In der Regel gehen diese auf frisch infizierte Reiserückkehrer aus tropischen oder subtropischen Gebieten, die dort von einer infizierten Mücke gestochen wurden und in deren Blut das Virus noch zirkuliert“, sagt der Virologe Norbert Nowotny von der Veterinärmedizinischen Universität (Vetmeduni). „Wenn in Europa diese Personen dann neuerlich von einer Tigermücke gestochen werden, kann sich die lokale Mücke mit dem Virus infizieren. Wird sie bei ihrer Blutmahlzeit gestört und sticht deshalb eine weitere Person, kann sie das Virus übertragen.“
Asiatische Tigermücken (Aedes albopictus) sind mögliche Überträger von über 20 verschiedenen Krankheitserregern. Viele davon, wie Dengue, Zika oder Chikungunya, können von den heimischen Stechmückenarten nicht übertragen werden.
Wie ist die Situation in Österreich?
„Das Chikungunya-Virus ist – ebenso wie Dengue – in Österreich nicht endemisch, zirkuliert also nicht dauerhaft bei uns“, sagt der Tropenmediziner Herwig Kollaritsch. „Es könnte aber irgendwann auch bei uns zu kleineren Infektionsketten, ausgelöst durch Reiseheimkehrer, kommen. Aber noch sind die Winter zu kalt, als dass sich das Virus dauerhaft etablieren kann – das wird auch so bleiben, so lange wir keine subtropischen Temperaturen im Winter bekommen.“

Nowotny: „Es ist eine Sache der Wahrscheinlichkeit: Wie viele importierte Infektionen gibt es und wie viele lokale Tigermücken?“ Durch den Klimawandel werden wir aber zunehmend mehr Tigermücken in Österreich sehen, sind die Experten überzeugt. Derzeit werden jährlich rund 100 Dengue- und 10 Chikungunya-Fälle importiert. "Aber noch fehlt in Mitteleuropa die notwendige Mückendickte für häufigere lokale Infektionen.-"
Breitet sich die Tigermücke in Österreich aus?
Ja, die Nachweise stiegen in den vergangenen Jahren (die aktuelle Situation siehe die obenstehende Grafik). In den Großräumen Graz, Linz und Wien gibt es mittlerweile ganzjährig etablierte Populationen – zumindest Eier können in geschützten Bereichen den Winter überdauern. „Aber in diesen Populationen zirkulieren keine Viren. Für eine lokale Infektionskette braucht es zum Start einen importierten Fall“, betonen Nowotny und Kollaritsch.
Wann wird eine Impfung empfohlen?
In Österreich sind zwei Impfstoffe gegen Chikungunya ab dem vollendeten 12. Lebensjahr zugelassen. „In Europa ist die Impfung in keinem Land angeraten, das wäre völlig übertrieben“, betont Tropenmediziner Kollaritsch. Viele infizierte Reiserückkehrer waren etwa in Mauritius, La Réunion. Sri Lanka, dort gibt es lokale Ausbrüche. Das Virus kommt aber in vielen tropischen und subtropischen Gebieten vor: "Hier muss man sich zeitgerecht in einer reisemedizinischen Ordination beraten lassen." Ob eine Impfung notwendig ist, hängt immer auch von der Art der Reise ab und auch davon, ob man konsequent Mückenschutz verwendet: "Der ist hoch effektiv und oft reicht das völlig aus." Dort, wo es akute Ausbrüche gibt, wie derzeit auf La Réunion, sei aber eine Impfung auf jeden Fall sinnvoll.
Was unterscheidet die beiden Impfstoffe?
Der in Wien von der Firma Valneva entwickelte Impfstoff Ixchiq ist ein Lebendimpfstoff, der aber bei Personen höheren Alters, ab 60 bis 65 Jahren, derzeit nicht verwendet werden sollte, heißt es in den aktuellen Impfempfehlungen des Gesundheitsministeriums. "Denn bei älteren Personen kann er möglicherweise schwerwiegende Nebenwirkungen verursachen", sagt Kollaritsch. Noch sei das nicht ganz abgesichert, aber es konnten im Frühjahr 2025 bei einer Impfaktion auf La Réunion einzelne derartige Fälle beobachtet werden: "Es muss aber erst abgeklärt werden, was tatsächlich die Ursachen waren." Die Nebenwirkungen ähneln dem Verlauf einer Chikungunya-Infektion.
Freitagnachmittag gab das Sicherheitskomitee der Europäischen Arzneimittelagentur EMA die Empfehlung bekannt, dass einerseits der vorübergehende Verwendungsstopp der Impfung für Personen über 65 Jahren, der während der Überprüfung eingeführt wurde, nun aufgehoben wird. Der Impfstoff sollte "Menschen aller Altersgruppen aber nur dann verabreicht werden, wenn ein erhebliches Risiko einer Chikungunya-Infektion besteht, und zwar nach sorgfältiger Abwägung von Nutzen und Risiken". Die meisten schwerwiegenden Nebenwirkungen traten bei älteren Menschen auf, schreibt die EMA in einer Aussendung: "Ixchiq löst jedoch wirksam die Produktion von Antikörpern gegen das Chikungunya-Virus aus, was insbesondere für ältere Menschen von Vorteil sein kann, die ein erhöhtes Risiko für eine schwere Chikungunya-Infektion haben."
Laut dem Impfexperten Kollaritsch, der auch Mitglied des Nationalen Impfgremiums ist, werde in den österreichischen Impfempfehlungen die Vorsichtsregel, den Impfstoff bei Personen höheren Alters nicht zu verwenden, aber beibehalten.
"Es gibt aber einen zweiten Impfstoff, einen Totimpfstoff, Vimkunya, der auch bei über 60-Jährigen völlig problemlos in der Anwendung ist", betont Kollaritsch. Beide Impfstoffe seien mittlerweile in der EU verfügbar.
Kommentare