Blutwäsche: Was ist dran an der Reinigung im Vollwaschgang?
Die Apherese – also Blutwäsche – ist alles andere als ein neues Verfahren und doch lohnt es sich, genauer hinzusehen.
Von Nicola Afchar-Negad
Es klingt einfach so gut. Man unterzieht sich einer Blutwäsche, und schwupps, geht es einem besser, deutlich sogar. Promis zeigen sich auf Instagram mit Nadel im Arm und berichten nur von leichtem Schwindel. Wer „Long Covid“ und „Behandlung“ googelt landet sehr schnell bei der Blutreinigung. Auch der bekannte Fernsehmoderator und Arzt, Eckart von Hirschhausen, hat sich für eine Doku zum Thema Long-Covid einem solchen Verfahren unterzogen. Die Kritik dafür ließ nicht lange auf sich warten. Keine wissenschaftliche Methode sei das! Es gibt keine Studien dazu! Man spiele mit Hoffnungen leidender Menschen und verschweige zudem die möglichen Nebenwirkungen.
Der Moderator wies damals darauf hin, dass man zu keinem Zeitpunkt die Apherese als Therapie empfohlen habe. Fakt ist: Insbesondere wird das vor genau hundert Jahren zum ersten Mal beschriebene Verfahren auffallend oft mit Long-Covid in Zusammenhang gebracht. Und man ist allerorts dran, Thesen und subjektive Erfolge wissenschaftlich zu untermauern, wie auch ein Blick in das Programmheft eines Apherese-Therapie-Seminars zeigt: „Studien, die zeigen sollen, ob und welche Patienten von der Immunadsorption, also der Entfernung fehlgeleiteter Antikörper, profitieren, werden mit Spannung erwartet.“ Organisiert wurde diese Zusammenkunft vom „Apherese Forschungsinstitut“, gegründet 1999.
Lange Geschichte
Die Anfänge der Blutwäsche reichen aber ganze 100 Jahre zurück. Am 1. Januar 1925 veröffentlichte der Gießener Internist Georg Haas (1886–1971) unter dem Titel „Versuche der Blutauswaschung am Lebenden mit Hilfe der Dialyse“ einen kurzen Artikel, in dem er ein medizinisches Verfahren beschrieb, das bewies, dass Blutwäsche an Nierenkranken möglich und ohne jede Schädigung für den Patienten sei. Bis heute ist die Dialyse die bekannteste Blutwäsche – aber bei weitem nicht die einzige. Bei der Apherese (sowohl Dialyse als auch Apherese werden umgangssprachlich als Blutwäsche bezeichnet) werden schädliche Stoffe aus dem Blut entfernt bzw. ausgespült, das geschieht außerhalb des Körpers. Plasma und Blutrest gehen danach zurück an den Patienten. Hinlänglich erforscht und täglich angewendet wird die Apherese bei verschiedenen Autoimmunerkrankungen oder Fettstoffwechselstörungen.
Von Herzinfarkt bis Präeklampsie
KURIER leben hat sich umgehört, was sich im klinischen Bereich gerade tut. Aus Innsbruck meldet Prof. Sebastian Reinstadler, dass eine Studie zur Wirksamkeit der Blutwäsche nach Herzinfarkt zur Senkung der Sterblichkeit im Plan sei. Konkret geht es um das Herausfiltern von CRP, ein Bluteiweiß, das bei einer Entzündung gebildet wird. Reinstadler kündigte eine Studien-Präsentation für 2026 an. Weiter zu Prof. Inge Herrmann von der ETH Zürich. „Das von uns entwickelte Verfahren wird magnetische Blutreinigung genannt. Wir haben es ca. im Jahr 2010 vorgeschlagen, 2013 in einem lebenden Tier gezeigt und seit 2017 gibt es eine Spin-Off Firma namens „hemotune“, die die Technologie in die Klinik bringt. Wir haben sie auch weiterentwickelt, um Bakterien oder Zellen zu entfernen, oder schädliche Faktoren in der Präeklampsie (Anm.: Schwangerschaftsvergiftung).“ Und während in den Kliniken geforscht wird, was zeit- und kostenintensiv ist, kann man auch nicht ignorieren, dass sich parallel dazu ein weiterer Markt auftut. Etwa Longevity- oder Health-Zentren, die teils an der Zulassung als Privatklinik arbeiten und sich traditionell mit Skepsis der Klinik-Kapazunder konfrontiert sehen.
Rote Blutkörperchen transportieren Sauerstoff durch den ganzen Körper. Sie sorgen dafür, dass jede Zelle gut versorgt ist.
Weiße Blutkörperchen sind Teil der Körperabwehr. Sie erkennen und bekämpfen Viren, Bakterien und andere Eindringlinge.
Wer sich für so ein Angebot interessiert, muss sich, das sollte selbstverständlich sein, informieren: Ist ein Arzt involviert? Gibt es eine professionelle Vor- und Nachbetreuung? Findet ein umfassender medizinischer Check statt? Denn: Wird Blut literweise aus dem Körper – und wieder zurück – geleitet, muss der Patient in gutem körperlichem Zustand sein. Wie realistisch sind die Erfolgsversprechen, wie wird dieser gemessen? Sprich: Es braucht dafür richtig Hausverstand. Prinzipiell steht aber einer oft auch prophylaktischen Behandlung, wie etwa dem Entfernen von Giftstoffen, nicht unbedingt etwas im Wege, die Gesundheitsbranche geht schlichtweg in diese Richtung. Und wer weiß, vielleicht arbeiten privater Sektor und Klinik auch irgendwann zusammen.
„Wir unterstützen Menschen, die gesund bleiben wollen“ erklärt Helmut La, Geschäftsführer der Biocannovea und der HHO GmbH. Das Wiener Start-Up-Unternehmen bietet seit circa zwei Jahren die HHO-Therapie an, quasi eine weiterentwickelte Blutwäsche. Bei er Hämo-Hyper-Oxygenierungsperfusion handelt es sich um ein Verfahren zur Reinigung des Vollblutes. Im Vergleich zur Apherese wird lediglich das durch einen Filter getrennte Blutplasma gereinigt. Bei der HHO wird das gesamte Blutvolumen aus dem Körper entnommen und anschließend durch ein externes Gerät gefiltert, um Giftstoffe oder andere Substanzen zu entfernen, bevor es dem Körper wieder zugeführt wird. Sie verbindet also die gängigen medizinischen Therapieformen Hämoperfusion (Blutreinigung), Hyperthermie (Wärme-Therapie) und Oxygenierung (Sauerstoff-Therapie) in einer Behandlung miteinander und führt sie eingebettet in einem Drei-Tages-Protokoll durch.
Man folge dem Prinzip Diagnostik – Therapie. Diagnostik, das heißt: nur der Eindruck einer klinischen Besserung reiche, wenn auch sehr wichtig, nicht aus. Prädestinierte Anwendung: Ausleitungen von Schwermetallen und Umweltgiften. Helmut La: „Klar ist, jeder Organismus profitiert durch die Reduktion von Belastungen.“
Der oftmaligen Kritik, auch gute Teile würden ausgewaschen, hält Markus Girullis, GF bei der HHO GmbH entgegen. „Zum einen: Blut ist intelligenter, als man glaubt. Und zum anderen – um beim Beispiel Schwermetalle zu bleiben: Genau deswegen ist das mehrstufige Protokoll so wichtig. Ja, ein kleiner Teil guter Metalle wie Magnesium geht verloren. Um Defizite auszuschließen, gehören Aufbauinfusionen dazu.“ Aktuell arbeite man, so Girullis, an mehreren Studien. Noch sei es aber zu früh, darüber zu sprechen. Es bleibt spannend – und vielversprechend.
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