Schlaflos im Blaulicht - wie schädlich ist das Handy im Bett wirklich?

Blaulicht durch Handys galt lange als Hauptursache für Schlafstörungen.
Von Sabrina Kraussler
Insomnie gehört in westlichen Gesellschaften zu den meist verbreiteten Krankheitsbildern. Seit 2007 ist die Zahl der Menschen, die mehrmals pro Woche mit Ein- und Durchschlafschwierigkeiten kämpfen, massiv gestiegen. Wie Forschungen zeigen, hat blaues Licht Einfluss auf die Produktion des Schlafhormons Melatonin. Seit dem Aufkommen von Smartphones und Tablets sind wir auch spätabends und oft kurz vor dem Einschlafen mehr blauem Licht ausgesetzt als früher. Ist damit jedoch der Anstieg der Insomnie-Betroffenen zu erklären?
Schlafstörungen sind komplex und nicht auf nur eine Sache zurückzuführen, weiß der Neurowissenschaftler, Psychotherapeut und Psychologe Dr. Manuel Schabus von der Uni Salzburg. Eine Rolle spielen unter anderem Stress, psychische Belastung und auch Persönlichkeitsmerkmale wie Perfektionismus. „Seit der Coronakrise haben Schlafstörungen zugenommen. Darüber hinaus leben wir durch Inflation, Klimakrise und Krieg in einem Krisen-Dauermodus. Das nehmen alle Altersgruppen mit ins Bett“, so Schabus. Allerdings zeigt sich ein Unterschied bei den Geschlechtern: Zwei Drittel der Betroffenen sind Frauen. „Es ist möglich, dass Frauen offener über Schlafprobleme sprechen als Männer oder eine vulnerablere Gruppe darstellen“, so der Experte.
Studien nicht eindeutig
„Der Großteil der Forschung zeigt aber: Dem blauen Licht von Smartphones und Co. wird oft eine größere Wirkung zugeschrieben, als es tatsächlich hat. Viele Geräte verfügen mittlerweile über einen Nachtmodus, und sobald die Bildschirmhelligkeit reduziert ist, spielt das Lichtspektrum eine untergeordnete Rolle“, sagt Schabus. Bei vielen Laborstudien wird die Wirkung von Blaulicht unter extremen Bedingungen getestet, erklärt der Schlafforscher. Dabei werde das Licht direkt in das Auge gestrahlt, was im normalen Alltag – etwa bei der Nutzung eines Handys – nicht der Fall ist. Ergebnisse würden dadurch oft uneindeutig. Auch über die Screengröße muss man sich keine Sorgen machen, eher im Gegenteil: „Beim Fernsehen sind wir weniger blauem Licht ausgesetzt als durch ein Tablet oder Handy. Denn bei geringer Distanz hat es deutlich mehr Einfluss auf uns.“ Für Unruhe und schlechte Entspannung sorgen viel eher die anregenden bzw. aufregenden Inhalte, die wir über die Geräte konsumieren.
Wenn Menschen über einen längeren Zeitraum mindestens drei Nächte pro Woche Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen haben, spricht man von einer chronischen Schlafstörung oder Insomnie.
Gehirn erholt sich
Dr. Kerstin Hödlmoser, Psychologin mit Schwerpunkt Schlaf in biologischer Psychologie und Sportpsychologie an der Universität Salzburg hat sich speziell mit dem Einfluss von Blaulicht auf den Schlaf von Jugendlichen und Erwachsenen befasst: „Die Studienteilnehmenden hatten zwischen der Handynutzung und dem Zubettgehen eine Blaulicht-Pause von etwa 50 Minuten“, erklärt Hödlmoser. „Es zeigte sich, dass durch das abendliche Blaulicht die Produktion von Melatonin tatsächlich unterdrückt wird. Durch die Pause erholte sich das Gehirn der Jugendlichen allerdings wieder.“
Der Trend in der Forschung geht aber auch in Richtung digitale Schlafmedizin: „Hörspiele, Meditationen oder Entspannungsübungen können Smartphones sogar zu einem nützlichen Helfer für besseren Schlaf machen“, so Schabus. In Deutschland sind derzeit drei Apps am Markt, die es Nutzern ermöglicht, ein Schlafgewohnheitstraining zu Hause zu absolvieren. Die vollen Kosten werden von der Krankenkasse übernommen.
In Österreich hinkt die Gesetzgebung noch hinterher. „Es wäre wünschenswert, dass sich etwas bewegt, denn hierzulande warten Betroffene sogar bis zu fünf Monate auf einen Termin im Schlaflabor“, so Schabus. Der Grundstein ist bereits gelegt: Das Start-up Nukkuaa der Uni Salzburg hat mit sleep² die erste österreichische App entwickelt, mit der die Schlafgewohnheiten verbessert und durch einen Sensor am Oberarm überprüft werden können.
Auch das Alter spielt eine Rolle
Bei den Erwachsenen sah das allerdings anders aus: „Sie wiesen auch zum Einschlafzeitpunkt noch einen geringeren Melatoninspiegel auf“, so die Wissenschafterin. Mit dem Alter scheint also die Fähigkeit, sich vom Blaulicht zu erholen, abzunehmen. „Aktuell überprüfen wir die Ergebnisse mit einer neuen Untersuchung, in der die Versuchspersonen das Handy mit ins Bett nehmen und bis zum Einschlafen scrollen“, berichtet Hödlmoser. „In Zukunft wird sich unsere Forschung vor allem auf das abendliche Smartphone-Nutzungsverhalten konzentrieren, d. h. welche Inhalte vor dem Schlafengehen konsumiert werden“, so die Expertin weiter.
Fest steht dennoch: Blaues Licht am Abend zu reduzieren, kann unsere Melatoninproduktion durchaus fördern. Ob spezielle Blaulichtfilterbrillen, die derzeit am Markt boomen, dabei hilfreich sind, bleibt fraglich. Ihre Wirkung ist wissenschaftlich nicht eindeutig belegt: Eine Cochrane-Review aus dem Jahr 2023 analysierte 17 Studien aus sechs verschiedenen Ländern und fand keine eindeutigen Beweise dafür, dass Blaulichtfilterbrillen die Schlafqualität verbessern. „Besonders tagsüber sollte man diese Brillen nicht nutzen“, empfiehlt Dr. Manuel Schabus. „Wir brauchen das im Sonnenlicht natürlich vorkommende blaue Licht, um munter zu bleiben.“ Umgekehrt werden in der experimentellen Forschung derzeit sogar Brillen untersucht, die blaues Licht abgeben, um Menschen tagsüber wacher zu halten.
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