Der Bewegungsmangel hat weitreichende Folgen: Jeder zweite Erwachsene ist bereits übergewichtig, Tendenz steigend. Wer sich dauerhaft zu wenig bewegt, riskiert schwerwiegende gesundheitliche Konsequenzen – sowohl körperlich als auch seelisch. Die Liste ist lang: Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall, Stoffwechselstörungen wie Typ-2-Diabetes, Muskelabbau, Gelenksteifigkeit und ein erhöhtes Risiko für Osteoporose. Auch das seelische Wohlbefinden leidet – wer sich zu wenig bewegt, fühlt sich häufiger erschöpft, unruhig oder schläft schlecht. Sport hingegen wirkt nachweislich stimmungsaufhellend, stressreduzierend und kann Depressionen vorbeugen.
"Manche Zehnjährige können keinen Purzelbaum mehr machen"
Warum also verzichten so viele junge Erwachsene auf Bewegung? Für Hans Niessl, Präsident von Sport Austria, beginnt das Problem schon im Kindesalter – und damit im Bildungssystem: „Anfang der 2000er-Jahre wurde der Sportunterricht gekürzt – man hat im Laufe der Jahre aber gemerkt, dass das ein Fehler war. Manche Zehnjährige können heute keinen Purzelbaum mehr machen und betreiben im ganzen weiteren Leben keinen Sport.“
Die Folgen dieser Versäumnisse tragen viele später ins Erwachsenenalter. Zwar wird inzwischen versucht, mit der „täglichen Turnstunde“ gegenzusteuern, doch die Umsetzung sei laut Niessl noch lange nicht flächendeckend. Auch das familiäre Umfeld spielt eine wichtige Rolle. Kinder brauchen Ermutigung und Möglichkeiten, Bewegung in ihr Leben zu integrieren – sei es im Sportverein, bei einem Tanzkurs oder durch gemeinsame Aktivitäten mit der Familie. „Dafür müssen Angebote geschaffen werden, damit jeder etwas für sich finden kann – auch im Erwachsenenalter kann man jederzeit in einen Sportverein, ins Fitnessstudio oder zu anderen Anbietern gehen und Sportarten ausprobieren“, betont Niessl.
Einstieg ist jederzeit möglich
Der Einstieg in ein aktiveres Leben muss dabei nicht mit Höchstleistungen beginnen: Schon regelmäßige Spaziergänge, kleine Runden mit dem Fahrrad oder ein Online-Kurs für zuhause können ein Anfang sein. Auch digitale Hilfsmittel wie Fitness-Apps oder Gruppenangebote können helfen, Routinen zu entwickeln und die Motivation zu steigern. Wichtig ist, sich erreichbare Ziele zu setzen – und dranzubleiben. Viele Sportvereine bieten neben dem klassischen Wettkampfsport auch Freizeitangebote für Erwachsene jeden Alters – vom Rückenkurs bis zum Lauftreff. Wer sich allein schwertut, findet in Gruppentrainings Gleichgesinnte und oft auch die nötige Motivation, dabeizubleiben.
Neben den individuellen Auswirkungen hat der Bewegungsmangel auch enorme gesellschaftliche Kosten. „In Schweden beispielsweise sind die Menschen im Schnitt zehn Jahre länger gesund als in Österreich – nicht weil sie länger leben, sondern weil sie länger gesund bleiben. Die Schweden investieren viel mehr in Prävention“, sagt Niessl. Sport werde von Kindheit an bis ins hohe Alter als selbstverständlicher Teil des Lebens gefördert.
Und auch im Bereich Integration sieht Niessl großes Potenzial. Denn Sport ist mehr als bloße Bewegung – er vermittelt wichtige soziale Werte wie Gemeinschaftssinn, Respekt und Toleranz. Gleichzeitig lernen junge Menschen im Sport Verantwortung zu übernehmen, sich in Gruppen einzuordnen und Konflikte friedlich zu lösen. Für den ersten Schritt braucht es keine Spitzenleistung – sondern nur die Entscheidung, anzufangen.
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