Von Antibiotika bis Käse: Penicillium ist die Mikrobe des Jahres 2026

Eine Hand mit blauem Handschuh hält eine Petrischale mit grün-weißem Schimmelpilz.
Penicillium, der Pinselschimmel, ist Mikrobe des Jahres 2026 – ein Pilz, der Medizin, Käse und Biotechnologie geprägt hat.

Die Mikrobe des Jahres 2026 heißt Penicillium. Mit der Wahl des Pinselschimmels würdigt die Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) eine Mikrobe, die nicht nur in der Medizin, sondern auch für den Käsegeschmack und viele weitere Anwendungen eine zentrale Rolle spielt.

Kaum ein anderer Mikroorganismus hat in den vergangenen 80 Jahren so viele Menschenleben gerettet – und tut dies bis heute. Der Weg zu dieser Bedeutung war von Zufällen geprägt: eine unbeabsichtigte Verunreinigung im Labor, eine verschimmelte Melone und Forschende, die genauer hinsahen und Fragen stellten. 

1928 bemerkte der schottische Arzt Alexander Fleming auf einer Agarplatte ungewöhnlich wenige Bakterien. Ursache war ein Schimmelpilz, der sich unbemerkt ausgebreitet hatte. Fleming vermutete, dass dieser eine Substanz freisetzt, die Bakterien abtötet – heute wissen wir, dass Penicillin die Bildung der bakteriellen Zellwand blockiert. Der Pilz wurde später als Penicillium notatum identifiziert, die wirksame Substanz erhielt den Namen Penicillin.

Von der Melone zur Massenproduktion

Den entscheidenden Schritt zur medizinischen Anwendung machten 1941 Howard Florey und Ernst Chain: Sie isolierten und reinigten Penicillin. Im selben Jahr erhielt ein Polizist in Oxford als erster Patient das neue Antibiotikum. Seine Symptome besserten sich rasch – doch der Vorrat reichte nicht aus, um ihn zu retten.

Durch zahlreiche Verbesserungen und Weiterentwicklungen zählen Penicillin und seine Abkömmlinge bis heute zu den am häufigsten eingesetzten Antibiotika. Charakteristisch für Penicillium sind fadenförmige Strukturen mit typischen Sporen, die an kleine Pinsel erinnern – daher der Name Pinselschimmel (lateinisch penicillus). Die oft farbigen Sporen dienen der asexuellen Vermehrung. Überraschenderweise entdeckten Forschende jedoch im Jahr 2008 auch zwei Geschlechter beziehungsweise Kreuzungstypen. Diese sexuelle Fortpflanzung eröffnet neue Möglichkeiten, Produktionsstämme gezielt mit verbesserten Eigenschaften zu züchten.

Mehr als nur Medizin

Davon profitieren unter anderem Käsehersteller. Pinselschimmel prägen Geschmack, Geruch und Textur von Käsesorten wie Camembert, Brie und Blauschimmelkäse. Die weiße, halbfeste Rinde von Brie und Camembert besteht überwiegend aus Penicillium camemberti, der auch für die cremige Konsistenz verantwortlich ist. Penicillium roqueforti wird für Roquefort- und andere Blauschimmelkäse eingesetzt. Seine Enzyme, etwa Proteasen und Lipasen, spalten Milcheiweiße und Fette und erzeugen Aromastoffe, die dem Käse sein typisches Profil verleihen und ihn zugleich vor unerwünschten Mikroorganismen schützen. Da lange genutzte Stämme an Vitalität verlieren, könnten Kreuzungen mit wilden, frischen Stämmen helfen, diese Kulturschätze zu erhalten.

Biotechnologisches Multitalent

Auch abseits von Medizin und Käse spielt Penicillium in der Industrie eine wichtige Rolle. Arten wie P. citrinum liefern Enzyme für die Lebensmittel- und Textilproduktion. Andere produzieren bioaktive Substanzen: So dient Pyripyropen A aus P. coprobium als Basis für ein Insektizid gegen Blattläuse und Weiße Fliegen. Bereits 1893 isolierte Bartolomeo Gosio aus P. brevicompactum die Mycophenolsäure – heute ein wichtiges Immunsuppressivum.

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