Alzheimer-Bluttest kann Punktion von Nervenwasser ersparen
Derzeit sind Bluttests auf Alzheimer privat zu bezahlen.
In Österreich leiden derzeit rund 100.000 Menschen an Alzheimer. Prognosen zufolge wird diese Zahl bis 2050 auf 230.000 ansteigen und sich damit mehr als verdoppeln. Oft bleibt die Erkrankung jahrelang unentdeckt. Unter anderem, weil Patientinnen und Patienten meist versuchen, Symptome wie Gedächtnisstörungen, Orientierungsprobleme oder Sprach- und Ausdrucksschwierigkeiten als altersbedingte Vergesslichkeit abzutun und zu kaschieren. Oft erfolgt die Diagnose spät, wenn die Erkrankung bereits fortgeschritten ist.
Im August wurde in Europa die zweite neuartige Antikörpertherapie zugelassen, die in einem frühen Krankheitsstadium ansetzt: Die beiden Präparate Lecanemab und Donanemab greifen die für Alzheimer ausschlaggebenden Ablagerungen im Gehirn direkt an und können, wie Studien zeigen, den Krankheitsverlauf im Frühstadium um rund 27 Prozent verlangsamen. "Lange Zeit war die Alzheimer-Diagnose sozusagen 'Schicksal'. Jetzt kann man erstmals in einem frühen Stadium der Erkrankung eine Verlangsamung erreichen", sagte Neurologin Katharina Millesi bei einem Hintergrundgespräch am Dienstag.
Bluttest auf Alzheimer weist Amyloidablagerungen nach
Allerdings: Nur fünf bis 20 Prozent der Betroffenen kommen für eine Antikörper-Behandlung infrage. Sie müssen bestimmte Kriterien erfüllen, dürfen etwa keine blutverdünnenden Medikamente einnehmen. Und: Die Alzheimer-Diagnose muss gesichert sein.
Die Diagnosestellung erfolgt in Österreich neben der klinischen Untersuchung über eine PET-Untersuchung (dreidimensionale Bildgebung, die auch Stoffwechselprozesse sichtbar macht, Anm.) oder über eine Untersuchung des Liquors, des Nervenwassers, über eine Spinalpunktion (auch Lumbalpunktion genannt). Bei dieser Untersuchung wird mit einer feinen Nadel im unteren Rücken etwas Nervenwasser (Liquor) entnommen. Millesi: "PET-Untersuchungen sind schwer verfügbar, es gibt nur wenige Termine. Die Spinalpunktion birgt wiederum mögliche Komplikationen. Bei bis zu einem Drittel der Patienten kommt es etwa zu postpunktionellem Kopfschmerz, einem dumpfen, lageabhängigen Kopfschmerz. Zudem können Arthrose oder Verknöcherungen der Wirbelsäule die Punktion erschweren. Manchmal sind mehrere Versuche nötig."
Einfach Blutabnahme beim Hausarzt
Millesi empfiehlt ihren Patientinnen und Patienten daher, zunächst den seit Anfang des Jahres verfügbaren Bluttest auf Alzheimer machen zu lassen. Dieser wird in Österreich exklusiv beim medizinisch-chemischen Facharztlabor labors.at mit mehreren Standorten in Wien angeboten. "Der Test kann nachweisen, ob Amyloid-Ablagerungen da sind oder nicht. Er erfolgt über eine einfache Blutabnahme und kann invasive Lumbalpunktionen oder aufwendige PET-Scans ersetzen und in jeder Arztpraxis durchgeführt werden", betonte Bernhard Mühl, Facharzt für medizinisch-chemische Labordiagnostik und geschäftsführender Gesellschafter von labors.at.
Der sogenannte "Aß42/ß40"-Bluttest ist also ein Biomarker zur Diagnose von Alzheimer. "Pathologische Veränderungen lassen sich schon Jahre vor den ersten Symptomen nachweisen. Dies eröffnet ein entscheidendes Zeitfenster für therapeutische Interventionen", so Mühl.
Neurologin Millesi empfiehlt den Test allerdings nicht, um in jungen Jahren eine Alzheimerneigung festzustellen. Dazu sei er nicht geeignet. Vielmehr gehe es darum, Menschen, die bereits Symptome zeigen, frühzeitig abzuklären. "Liegen keine Symptome vor, empfehle ich den Bluttest nicht. Aber er kann als Screening dienen, bevor eine Rückenmarkspunktion erfolgen soll." Derzeit sind die Kosten von 175 Euro für den Bluttest privat zu zahlen. Der Test kann über den Hausarzt veranlasst werden.
Ein weiterer Bluttest des Pharmakonzerns Roche erhielt im Sommer die europäische Zulassung. Der Test "Elecsys Phospho-Tau" misst die Konzentration des Eiweißes pTAU181 im Blut. Fällt er hoch positiv aus, ist die Wahrscheinlichkeit einer Alzheimer-Erkrankung sehr hoch. Er wird derzeit vor allem in Studien angewandt.
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