Diagnose ADHS: Sind Ritalin und Co. wirklich sicher für Kinder?

Ein Mädchen sitzt auf dem Schoß einer Frau und wird von ihr umarmt, während im Hintergrund eine weitere Frau Notizen macht.
Verträumt und in sich gekehrt – oder unaufmerksam und zappelig: ADHS kann Kinder und Familien belasten. Medikamente helfen, Nebenwirkungen bereiten Eltern Sorgen.

ADHS ist eine der häufigsten psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter. Betroffene Mädchen und Buben haben ein erhöhtes Risiko, in der Schule weniger gut mitzukommen, Schwierigkeiten im sozialen Bereich und auch emotionale Probleme zu entwickeln.

Neben Aufklärung und Psychotherapie können Medikamente die Auswirkungen der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung lindern. Methylphenidatpräparate (Ritalin, Medikinet) werden am häufigsten eingesetzt. 

Allerdings sorgen sich viele Eltern wegen diskutierter Spätfolgen: Wachstumsstörungen, aber auch Schäden am Herz und Veränderungen im Gehirn. Alexander Häge, Leiter der Arbeitsgruppe ADHS im Kindes- und Jugendalter am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim, ordnet die Gefahren ein.

KURIER: Mit ADHS-Medikamenten läuft der Alltag in Familien mit betroffenen Kindern oft entspannter. Eltern haben auch Angst vor Spätfolgen, zum Beispiel, was das Wachstum betrifft.

Alexander Häge: Viele Eltern sind kritisch bis ängstlich. Einige Studien legen nahe, dass Stimulanzien wie Methylphenidat das Wachstum von Kindern bremsen. Eine große Langzeitstudie zu dieser Fragestellung zeigte allerdings keine signifikanten Unterschiede in der Wachstumsgeschwindigkeit zwischen behandelten und unbehandelten Kindern nach zwei Jahren.

Eltern klagen darüber, dass die Kinder schlecht essen.

Unter der Gabe von Methylphenidatpräparaten kommt es häufig zu einer Appetitminderung. Eltern ängstigen sich, dass eine geringere Nahrungsaufnahme dazu führt, dass ihre Kinder nicht ausreichend wachsen könnten. Man muss die Kinder deshalb ärztlich engmaschig überwachen. Sollte eine Wachstumsverzögerung nicht mehr im Rahmen des Tolerablen liegen, muss überlegt werden, die Medikamente nicht mehr weiter zu verabreichen und auf eine andere Wirkstoffgruppe zurückzugreifen, zum Beispiel das Atomexetin aus der Gruppe der Nichtstimulanzien.

Was ist der Unterschied?

Im Allgemeinen entfalten die Stimulanzien, zu denen das Methylphenidat gehört, einen früheren Effekt. Während die Nichtstimulanzien eher moderat wirken. Ritalin und Co. wirken dann, wenn man sie einnimmt. Die Nichtstimulanzien wie Atomexetin benötigen bis zur Wirkung in der Regel ein paar Wochen, da erst ein Spiegel im Blut aufgebaut werden muss.

Auch Schäden am Herzen werden häufig befürchtet.

Bei der Einnahme von Methylphenidat-Präparaten kann man im Mittel einen leichten Anstieg von Blutdruck und Puls feststellen. Das hat im Regelfall keine negativen Effekte. Allerdings muss man Kinder mit kardialen Vorerkrankungen intensiv untersuchen. Ebenso, wenn die Eltern unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden. Ratsam ist, dass alle Kinder vor der Behandlung mit ADHS-Medikamenten körperlich untersucht werden.

Medikamente wie Ritalin können die Hirntätigkeit stimulieren. Kann das Denkorgan dadurch beeinträchtigt werden?

Sie erhöhen beispielsweise die Freisetzung von Botenstoffen in jenen Hirnarealen, die auch für die Aufmerksamkeit und Konzentration relevant sind. Bildgebende Verfahren haben gezeigt, dass es Unterschiede zwischen Kindern mit und ohne ADHS gibt. Langzeitstudien sind erst begrenzt vorhanden. Tendenziell lässt sich aber sagen, dass die Medikamente eher normalisierend wirken. Generell wird zu Beginn einer Behandlung eine sehr geringe Dosis verabreicht, um gute Wirksamkeit und Verträglichkeit zu erreichen.

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