Gebirgsgletscher wiegen deutlich weniger als gedacht

Alaska: Die Gletscher haben neben den asiatischen Hochbebirgen das höchste Eisvorkommen.
Allein in Asien könnten 2060 die Gletscher bereits auf die Hälfte geschrumpft sein. Wasserknappheit wäre eine Folge.

Die Dimension ist kaum vorstellbar: 158.000 Kubikkilometer Eis beherbergen die Gletscher der Welt - die Eisschilde Grönlands und der Antarktis ausgenommen. Zum Vergleich: Das Rote Meer fasst ca. 200.000 km³ und das Grönlandeis alleine rund 2,85 Millionen km³.

Klingt viel. Und dennoch ist das weniger Eis als bisher gedacht. Zu diesem Schluss kommen Forschende um Daniel Farinotti von der ETH Zürich und der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) dank neuer Berechnungen mit bis zu fünf Modellen. Im Klartext: Das Eisvolumen der weltweiten Gletscher wurde demnach bisher überschätzt.

Himalaja und Alaska

Der neu berechnete Wert liegt dabei deutlich niedriger als Schätzungen von vor wenigen Jahren, wie die ETH mitteilte. Besonders ins Gewicht fallen dabei die Gebirge Hochasiens: Diese Region, die den Himalaja, das Tibetische Plateau und die Gebirge Zentralasiens umfasst, besitzt neben Alaska das größte Eisvolumen außerhalb der Arktis. Letztere macht mit etwa 75.000 Kubikkilometern fast die Hälfte des weltweiten Gletschereises aus, das asiatische Hochgebirge besitzt rund 7.000 Kubikkilometer.

Den neuen Berechnungen nach beherbergen die Gletscher Hochasiens aber um 27 Prozent weniger Eis als bisher angenommen, wie die Wissenschafter im Fachblatt "Nature Geoscience" berichten. Grund für diese Diskrepanz ist vor allem, dass die Berechnungen auf detaillierteren Satellitendaten beruhen.. Dank höherer Auflösung könne man beispielsweise genauer erkennen, ob es sich um einen großen oder zwei kleinere, zusammenhängende Gletscher handle. Dies spielt wiederum für die Modellierung und Rückschlüsse auf die Eisdicke eine Rolle.

Hochgebirge ohne Gletscher

Das geringere Eisvolumen bedeutet auch, "dass die asiatischen Hochgebirge ihre Gletscher schneller verlieren können als bisher angenommen", erläutert Farinotti. Anstatt in den 2070er Jahren könnte die dortige Gletscherfläche bereits in den 2060ern auf die Hälfte geschrumpft sein.

Dies hat auch Konsequenzen für die Wasserversorgung von hunderten Millionen Menschen, denn die Gletscher nähren Flüsse und Seen in einer zum Teil trockenen Region. Die gletscherbedingten Abflussmengen von Flüssen wie dem Indus, dem Tarim oder den Zuflüssen des Aralsees dürften dadurch gegen Ende dieses Jahrhunderts um rund ein Viertel geringer ausfallen als heute.

Wenige Messwerte

Strategiewechseln für die künftige Wasserversorgung der Bevölkerung wären zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht, sagte Farinotti. "In erster Linie sollte man die dortigen Gletschereisvolumen besser vermessen. Noch gibt es nämlich wenige Messwerte, anhand derer wir die Modelle kalibrieren können." Die Unsicherheit der Berechnungen sei daher noch recht groß. "Wenn wir die hundert größten Gletscher dort messen würden, könnten wir den größten Teil der Unsicherheit ausräumen."

Anhand der neuen Berechnungen vermuten die Forschenden außerdem, dass die weltweiten Gletscher außerhalb der Antarktis und Grönlands im Falle ihres vollständigen Abschmelzens den Meeresspiegel um 30 Zentimeter ansteigen lassen würden. Es sei jedoch unklar, ob und wann es zu diesem vollständigen Abschmelzen kommen werde, so Farinotti.

In einem nächsten Schritt wollen die Wissenschafter nun genauer auf die Verteilung des Gletschereisvolumens eingehen. Die Studie liefert nämlich auch Informationen über die Landschaft unter den Gletschern, so Farinotti.

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