Trend FAFO-Parenting: Wie die Gen Z ihre Kinder erzieht

Eine Frau und ein Kind stehen gemeinsam unter einem Regenschirm und lachen, während das Kind barfuß in einer Pfütze steht.
Statt Kinder vor jedem Fehltritt zu bewahren, lässt die Gen Z ihren Nachwuchs aus eigenen Erfahrungen lernen. Doch der sogenannte FAFO-Erziehungsansatz hat seine Grenzen, meinen Fachleute.

Graue Wolken türmen sich am Himmel. Regentropfen klatschen ans Fenster. Am Balkon haben sich erste Pfützen gebildet. Das Kind will trotzdem mit Sandalen in den Kindergarten. Eine nervenaufreibende Situation am Morgen. Viele Mütter und Väter reden sich in solchen Momenten instinktiv den Mund fusselig, um den Nachwuchs von festerem Schuhwerk zu überzeugen. Nicht so die Gen Z.

Die inzwischen im Elternalter angekommene Generation verfolgt zunehmend den FAFO-Erziehungsstil. Wobei FAFO für „fool around and find out“, also „mach dumme Sachen und finde heraus, was passiert“, steht. Im eingangs erwähnten Beispiel wäre die „dumme Sache“ das Anziehen nicht wettertauglicher Schuhe – nasse, kalte Füße die laut FAFO-Eltern für das Kind lehrreiche Konsequenz.

Anti-Überbehütung mit FAFO

Junge Mütter und Väter wenden sich damit gegen jene Erziehungsform, welche die Kindheit vieler „Z-ler“ geprägt hat: einer Überfürsorge und Überbehütung sogenannter Helikopter-Eltern.

Das erwähnte Schuh-Szenario lässt sich um viele Alltagssituationen erweitern. Das Kind verschmäht abends die Lasagne? Kein Essen bis zum Frühstück. Das Spielzeug wird partout nicht weggeräumt? Dann landet es im Müll. FAFO-Eltern halten es für förderlich, wenn Kinder die Auswirkungen ihrer Taten spüren. Erstmals aufgefallen ist der Trend in sozialen Medien. Bekanntheit erlangte er auch durch prominente Anhänger wie Kylie Kelce, der Schwägerin in spe von Taylor Swift. Sie schwärmte Anfang des Jahres in einem Podcast davon.

„Valide Zahlen dazu, wie viele Gen-Z-Eltern das so handhaben, gibt es aber noch nicht“, sagt der deutsche Psychologe und Generationenforscher Rüdiger Maas. Allerdings zeigen Maas’ eigene Studien sehr wohl, dass etwa die Hälfte der Gen-Z-Eltern angibt, das dringende Gefühl zu haben, Kinder auf die reale Welt vorzubereiten. „Das könnte ein Indiz sein, warum härtere und konsequenzorientierte Modelle an Attraktivität gewinnen. Ein weiterer Grund kann eine durch die eigene Erfahrung der Überbehütung fehlende Reife, bestimmte Handlungen abzuwägen und deren Folgen einzuschätzen, sein.“ Auch Zukunftsängste spielen eine Rolle: „Da gibt es einen Wunsch nach mehr Resilienz und Selbstständigkeit in unsicheren Zeiten.“

Kinder in ihrer Autonomie zu fördern, sei grundsätzlich ein guter Gedanke, erklärt die Familienberaterin Barbara Grütze. „Kindern zuzutrauen, eigene Wege zu finden und ihre Eigenverantwortung zu stärken, ist sinnvoll. Wenn Kinder Dinge selbst ausprobieren und Probleme – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – selbst lösen dürfen, entstehen Kompetenzen.“

Fehler regen nicht nur Lernprozesse an, sie stärken auch Frustrationstoleranz und Selbstvertrauen, weiß auch die Pädagogin und Psychotherapeutin Paria Tuttinger. „Kinder lernen am besten, wenn sie erleben, dass ihr Handeln Konsequenzen hat, und dadurch spüren: ’Ich kann etwas bewirken und Herausforderungen bewältigen.’ Das stärkt Selbstvertrauen, Resilienz und die Fähigkeit, mit Schwierigkeiten umzugehen.“ Doch der FAFO-Ansatz hat auch seine Grenzen. „Zu viel Freiraum ohne Struktur und Bindung kann auch überfordern“, sagt Grütze. „Wenn Eltern extrem distanziert oder passiv sind und das Kind viel alleine lassen mit Aufgaben oder Problemstellungen, könnte es sich allein gelassen, wertlos, überfordert oder ohnmächtig fühlen.“ Auch Tuttinger betont: „Kinder brauchen Eltern, die trösten, erklären und Halt geben, wenn es schwierig wird. Nur so entstehen aus Fehlern echte Lernerfahrungen.“

Erziehungstrend mit autoritären Zügen

Der FAFO-Stil kann auch autoritäre Züge annehmen. Kompromisslosigkeit im erzieherischen Umgang wird dann als Form der Bestrafung eingesetzt, warnt die US-amerikanische Psychoanalytikerin Erica Komisar in einem Kommentar für das Wall Street Journal. „Es gibt einen Unterschied zwischen natürlichen Konsequenzen und künstlichen Strafen, die nur darauf abzielen, einen Schockeffekt zu erzielen. Erstere lehren Verantwortung, letztere untergraben das Vertrauen.“

Die Kunst liegt laut Grütze darin, einen sicheren Rahmen zu bieten, in dem sich Kinder dennoch ausprobieren können. „Wir sollten emotional verfügbar bleiben – aber Lösungen nicht sofort vorgeben.“

Kinder brauchen also keine Eltern, die alles kontrollieren, aber auch keine, die sich vollständig zurückziehen. Tuttinger: „Entscheidend ist, zu spüren, wann Unterstützung nötig ist und wann Loslassen guttut.“

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