Zwei Anwälte, zwei Ansichten, eine Rechtslage: Das Wiener Duo Carmen Thornton und Johannes Kautz erzählt Geschichten aus seiner Ehe und beantwortet Fragen, die uns im Alltag beschäftigen.
06.07.25, 07:31
Der Fall: Neulich habe ich geträumt, mein Mann hat eine Affäre. Die typischen Anzeichen: heimliches Tippen am Handy, ein neues Aftershave, plötzliche Abendtermine. Ich bin schweißgebadet aufgewacht und dachte: „Jetzt wäre der richtige Moment für eine digitale Spurensicherung.“ Natürlich rein hypothetisch – in Wirklichkeit hätte ich gar keine Zeit, heimlich Apps zu installieren, GPS-Tracker zu montieren oder nächtlich im Gebüsch zu lauern. Zwischen Kanzlei, Kindern und einem Haushalt im Dauerlauf bleibt kaum Luft für Spionage. Aber wenn der Verdacht besteht, wenn das Vertrauen bröckelt – darf man dann heimlich mitlauschen und vielleicht sogar der Affäre nachspionieren? Und was, wenn man selbst betroffen ist? Wie viel muss man sich gefallen lassen, wie viel Misstrauen dulden? Der Grat zwischen Wahrheitsfindung und Verletzung der Privatsphäre ist schmal, und wer es übertreibt, findet sich vielleicht auf der falschen Seite im Gerichtssaal wieder.
Mag. Carmen Thornton:
In Österreich geht es im Scheidungsverfahren nicht nur darum, erlittene Kränkungen aufzuarbeiten. Auch der nacheheliche Unterhaltsanspruch hängt daran, dass die Ehe aus dem alleinigen oder eindeutig überwiegenden Verschulden des anderen geschieden wird. Die Anforderungen an einen Verschuldensausspruch sind hoch, weil so schwerwiegende Eheverfehlungen nachgewiesen werden müssen, dass der eigene Beitrag am Scheitern der Ehe eindeutig in den Hintergrund tritt. Gelingt dieser Nachweis nicht, besteht nur ausnahmsweise ein eingeschränkter Unterhaltsanspruch. Es geht also auch um viel Geld und darum, den gewohnten Lebensstandard zumindest annähernd aufrecht zu erhalten, manchmal sogar um die eigene Existenz. Ein Nachweis der Verfehlungen des anderen ist ohne technische Hilfsmittel aber nur schwer möglich. Ein Detektiv ist meist teuer und muss erst einmal vorfinanziert werden.
Abwägen der Interessensfrage
Eigene Abhörmaßnahmen sind hingegen in Zeiten von Smartphones und moderner Technik problemlos umsetzbar. In Österreich gibt es kein generelles Verbot der Verwertung von rechtswidrig (sogar strafrechtswidrig) erlangten Beweismitteln, es ist nur eine Interessenabwägung vorzunehmen. Wenn der Beweis auf andere Weise nicht erbracht werden kann, wird das Interesse an der Wahrheitsfindung meistens als höher eingeschätzt und der Beweis kann verwertet werden. Eine umfassende Dokumentation kann daher im Scheidungsverfahren Gold wert sein, selbst wenn man nicht das zweifelhafte Glück hat, den zukünftigen Ex in flagranti mit der Neuen aufzuzeichnen. Gerade wenn Aussage gegen Aussage steht und es keine unbefangenen Zeugen gibt, geht es vor Gericht um die Glaubwürdigkeit.
Die Kehrseite der Medaille ist, dass solche Überwachungsmaßnahmen meistens rechtswidrig sind. Die Liste der Vorschriften, gegen die eine Überwachung verstoßen kann, ist lang, allgemeine Persönlichkeitsrechte, Datenschutzgesetze, aber auch Straftatbestände. So ist es gemäß § 120 StGB strafbar, fremde Gespräche mit Tonaufnahme- oder Abhörgeräten aufzuzeichnen. Gespräche, an denen man selbst teilgenommen hat, fallen nicht darunter, in diesen Fällen ist allerdings die Weitergabe der Aufnahme (nicht jedoch eines Transkripts) strafbar. Auch bei Überwachungsmaßnahmen, die keinen Straftatbestand erfüllen, drohen zivilrechtliche Ansprüche und ein Verfahren bei der Datenschutzbehörde.
Bei allem, menschlich nachvollziehbaren, Dokumentationsbedürfnis sollte man sich daher gut überlegen, welche Abhörmaßnahmen man setzt. Als Anwältin würde ich nie empfehlen, (straf-)rechtswidrige Abhörmaßnahmen zu ergreifen. Aber wenn die Nachweise verfügbar sind, kann es sinnvoll sein, sie vor Gericht auch zu verwenden, und sei es nur als Hilfsmittel für eine zielgerichtete Befragung. In der Praxis muss dafür ein wörtliches Transkript angefertigt werden. Wenn der Gegner oder ein Zeuge das dokumentierte Gespräch bei seiner Einvernahme unter Wahrheitspflicht trotzdem bestreitet, liegt in der Regel ein Beweisnotstand vor und die Aufnahme darf verwendet werden. Die Erfahrung zeigt aber, dass das meist gar nicht mehr nötig ist. Privat muss ich gestehen, dass ich dem Zugang „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ etwas abgewinnen kann. Es schadet nie, Augen und Ohren offen zu halten und es muss ja nicht der heimliche Tonbandmitschnitt oder die Spyware sein, etwas mehr Aufmerksamkeit und ein paar Nachfragen reichen oft schon aus. Sonst wird aus einem Albtraum schnell ein böses Erwachen, bei dem nicht nur der Mann, sondern auch der Unterhalt weg ist.
Mag. Johannes Kautz:
"Wer nichts zu verbergen hat, der hat auch nichts zu befürchten." Wie oft hört man diesen Satz, wenn es um Einschränkungen der Privatsphäre geht. Und ja, wer in einer Ehe fremdgeht, darf nachher nicht jammern, wenn das Liebesabenteuer dokumentiert wurde. Das Risiko, zum ungünstigsten Zeitpunkt mit unangenehmen Aufnahmen konfrontiert zu werden, muss man dabei eben in Kauf nehmen.
Installation von Spyware ist strafbar
Aber darum geht es nicht. Dass viele Überwachungsmaßnahmen (z. B. das Abhören von fremden Gesprächen, Knacken von Passwörtern oder die Installation einer Spyware) strafbar sind, hat einen guten Grund: Sie greifen auch dann in die Privatsphäre ein, wenn man „nichts zu verbergen“ hat. Es mag Menschen geben, die sich freiwillig dafür hergeben, dass ihr gesamtes Leben einer breiten Öffentlichkeit präsentiert wird. Die meisten würden das aber als massive Einschränkung empfinden. Die Rechtsordnung gewährt jedem Einzelnen einen weitreichenden Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre. Erst kürzlich hat die Datenschutzbehörde entschieden, dass der Betrieb einer Wetterkamera das Grundrecht auf Datenschutz eines Hausbesitzers verletzt, weil sie die Sicht auf sein privates Grundstück ermöglicht. Auch wenn dies deutlich über das Ziel hinausschießt, wird dem Recht auf Privatsphäre gerade in Zeiten von Smartphones und Social Media zu Recht ein hoher Stellenwert eingeräumt.
Selbst weniger drastische Eingriffe wie zum Beispiel das Aufzeichnen der eigenen Gespräche mit dem Ehepartner sind zivil- und datenschutzrechtlich unzulässig und können sich als juristisches Eigentor erweisen, wenn der andere mit einer Unterlassungs- und Löschungsklage oder einer Beschwerde bei der Datenschutzbehörde reagiert. Und wer ein Abhörgerät in der gemeinsamen Wohnung installiert, kann sich schnell in einem Hotelzimmer oder auf dem Sofa der besten Freundin oder des besten Freundes wiederfinden. Solche Maßnahmen machen das Zusammenleben wegen des „permanenten Überwachungsdrucks“ unzumutbar und sind nicht nur Eheverfehlungen, sondern berechtigen den anderen unter Umständen sogar dazu, dem Hobbyspion oder der Hobbyspionin den Zutritt zur Ehewohnung mittels einstweiliger Verfügung zu untersagen.
Beauftragen einer Detektei
Es gibt aber legitime Mittel, Beweise für ein bevorstehendes Scheidungsverfahren zu erlangen, insbesondere die Beauftragung eines Detektivbüros. Die bloße Beobachtung durch einen Detektiv ist nicht nur ein deutlich geringerer Eingriff als eine systematische, technische Überwachung, die entstandenen Kosten können sogar zurückgefordert werden, wenn sich der Verdacht erhärtet. Dies gilt im Übrigen auch im Wirtschaftsleben. So können Arbeitgeber durch den Einsatz von Detektiven vorgetäuschte Krankenstände aufdecken. Auch Vertrags- oder Wettbewerbsverletzungen (etwa Verstöße gegen Wettbewerbsklauseln) lassen sich so nachweisen. Wer ein Informationsbedürfnis hat, sollte die Observation daher in professionelle Hände legen.
Als Rechtsanwalt kann eine Abwägung der Risken und des Nutzens durchaus ergeben, dass es im Interesse der Klientinnen und Klienten ist, unrechtmäßig erlangte Beweise vor Gericht zu verwenden, etwa wenn man in der Lage ist, den Gegner im Gerichtsverfahren bei seiner Einvernahme mit einem Transkript zu überführen. Privat finde ich allerdings, dass eine Ehe auf Vertrauen basieren sollte.
(kurier.at, jup)
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Aktualisiert am 06.07.2025, 07:31
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