"Selbstkritik dürfte weder Trumps noch Musks Stärke sein"
"Hier treffen zwei sehr spezielle, von sich überzeugte Persönlichkeiten aufeinander, die im Rahmen eines Konflikts kaum konsensfähig erscheinen", erklärt sie. Mangelnde Kompetenzen im Umgang mit Widerspruch oder abweichenden Meinungen würden den Konflikt zusätzlich anheizen.
Trump wurden in der Vergangenheit vielfach persönlichkeitsgestörte Züge attestiert. Etwa von Deutschlands bekanntester Psychologin Stefanie Stahl. Musk deutete vor einigen Jahren an, an einer bipolaren Störung zu leiden und erklärte kürzlich, Ketamin zur Behandlung seiner "depressiven Episoden" zu nutzen. Mutmaßungen darüber, inwieweit die Persönlichkeitsstrukturen der beiden mächtigen Männer in den aktuellen Konflikt hineinspielen, will Kastner nicht anstellen, betont aber: "Selbstkritik dürfte weder Trumps noch Musks Stärke sein. Radikale Zerwürfnisse werden befeuert, wenn man keine Selbstzweifel kennt, sich überlegen fühlt und sich nicht auf eine Mittellinie einigen kann. Wenn zwei extreme Positionen entstehen, findet man selten Wege zueinander."
Psychologin Beate Wimmer-Puchinger sieht interessante biografische Parallelen: "Wenn man sich die Biografien der beiden Männer vor Augen führt, fällt auf, dass beide mit autoritären, patriarchalen Vaterfiguren aufgewachsen sind, die großen Druck auf ihre Söhne ausgeübt haben, was Erfolg anbelangt." Dies könne womöglich erklären, warum Trump und Musk ebenfalls einen oft abwertenden, aggressiven Verhaltensstil pflegen. "Wir wissen inzwischen, dass sich Erziehungsstile oft ins Erwachsenenalter durchschlagen. Erfahrungen aus der Kindheit können so ein Verhalten aber keinesfalls entschuldigen. Sie sollten ein Auftrag sein, sich damit auseinanderzusetzen."
Dass Musk den Entzug seines Regierungspostens wohl als kränkenden Affront aufgefasst hat, fuße laut Kastner "womöglich darauf, dass er sich als Präsidentenmacher sieht und glaubt, aufgrund seines Vermögens über ausreichend Qualifikationen für ein politisches Führungsamt zu verfügen".
Gehäufte Beziehungsabbrüche vorprogrammiert
Dass Trump und Musk Social Media als Austragungsort für ihre Fehde nutzen, ist wenig überraschend. Die beiden sind bekannt für ihre Vorliebe für soziale Medien. Die Nutzung einer öffentlichen Bühne als Plattform für ihren Streit ist für Kastner auch Ausdruck dessen, "dass beide überzeugt sind, die öffentliche Meinung auf ihre Seite ziehen zu können".
Kommunikationsexpertin und Medienmanagerin Eva Weissenberger sieht im Austragungsort der Debatte Besonderheiten: "In Zeiten von Social Media explodieren sogar banale Meinungsverschiedenheit zwischen ganz normalen Usern binnen kürzester Zeit zu einem heftigen Schlagabtausch. Denn die Plattformen belohnen jeden Eskalationsschritt: Übertreibung, negative Emotionalität, Geschwindigkeit. Wenn dann beide Parteien ihr eigenes Social Network kontrollieren – ein Vulkanausbruch."
Viele Fehden auf Trumps Konto
Trump hat schon mehrfach mit Wegbegleitern gebrochen. Etwa seinem ehemaligen Anwalt Michael Cohen. Er wurde vom loyalen Gefolgsmann zum Schlüsselzeugen und sagte letztlich vor Gericht gegen Trump aus. Auch Trumps Sicherheitsberater John Bolton verließ das Weiße Haus im Streit. Chefstratege Steve Bannon fiel ebenfalls bei Trump in Ungnade, Trump nannte ihn später "verrückt". Die Reaktion des US-Präsidenten auf die Abspaltung von Vertrauten folgt meist einem Muster: impulsiv und öffentlich abwertend.
Gehäufte Beziehungsabbrüche seien vorprogrammiert, "wenn man mit Widerrede nicht umgehen kann", sagt Kastner. Trump halte sich für unverbesserlich. "Da rückt jeder Widerspruch in den Rang der Majestätsbeleidigung. Widerspruch nicht zu tolerieren ist schon lange mit Herrschaftspositionen verknüpft und letztlich ein Muster von totalitären Regimen."
Weissenberger führt das aktuelle Zerwürfnis auf einen schwelenden Zielkonflikt zurück: "Trump und Musk gingen eine Allianz ein, obwohl ihre langfristigen Zielsetzungen und Ideologien nicht zueinander passten: Trump verfolgt eine nationalistische, populistische Politik, die auf fossile Energien setzt, während Musk eine internationalistische, innovationsgetriebene, klimafokussierte Vision vorantreibt. Ihre Interessen mussten unweigerlich kollidieren." Trump vs. Musk sei "ein prototypischer Konflikt zwischen politischer legitimierter Exekutivgewalt und der ökonomischen Macht der Wirtschaftselite".
Versöhnung schwer vorstellbar
Erschwert werde die Einschätzung von Trumps Aktionen durch sein oft – zumindest scheinbar – erratisches Verhalten: "Man tut sich bei ihm schwer, zu unterscheiden, welche Dinge er aus taktischen Gründen und welche er aus Überzeugung tut", sagt Kastner. Einen verdeckten Spielplan zugunsten höherer Ziele sieht die Psychiaterin in dem Konflikt mit Musk aber nicht. "Dafür geht es in dem Streit und in den Äußerungen gerade zu sehr ans Eingemachte."
Zwar hieß es am Freitag, dass ein Trump-Berater "Friedensgespräche" mit Musk führen wolle. Musk deutete in einem Antwort-Beitrag auf X an, dass eine Versöhnung mit dem Präsidenten im besten Interesse des Landes wäre. An eine echte Versöhnung der beiden glaubt Kastner nicht: "Auch angesichts dessen, dass ich mich nicht erinnern könnte, dass Trump nach Auseinandersetzungen nochmals mit irgendjemandem wieder zusammengefunden hätte."
Weissenberger schließt eine Annäherung nicht aus: "So irrational Trump und Musk auf viele Menschen wirken mögen, sie sind zuallererst Businessmänner. Ein Waffenstillstand ist möglich, sobald beide Seiten einen strategischen Vorteil wittern."
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