Die besten Tipps für Ihr Gedächtnis
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"Sätze wie ,dafür bin ich schon zu alt‘ – die sind längst out. Man kann in jedem Alter mit Erfolg Neues lernen", sagt der Psychologe und Psychotherapeut Univ.-Doz. Gerald Gatterer.Er leitet das"Zentrum für Gedächtnisvorsorge"an der Sigmund-Freud-Privatuniversität Wien.
KURIER: Was muss ich tun, um mein Gedächtnis fit zu halten?
Gerald Gatterer: Am wichtigsten ist: Rechtzeitig in allen Lebensbereichen Flexibilität zu lernen. Das heißt: Immer offen für Neues zu sein – für neue soziale Kontakte, neue Urlaubsorte, neue Hobbys, neue Technologien. Gleichzeitig sollte man Veränderungen im Leben, die man nicht beeinflussen kann, nicht abwehrend, sondern positiv gegenüberstehen. Wichtig ist außerdem, zwischen mehreren Rollen wechseln zu können. Wenn ich nur die Rolle der Ehefrau oder des Ehemannes habe – aber nicht zum Beispiel auch die Rolle eines guten Freundes oder einer guten Freundin –, dann fehlt mir eine Ersatz, wenn der Partner stirbt.
Eines der Hauptprobleme ist, dass wir mit zunehmendem Alter eingefahrene Rollen verstärken und diese dann nicht mehr verändern. Es kann zum Problem werden, wenn mich nur die berufliche Rolle ausfüllt, wenn alle Kontakte, alle Beziehungen daran hängen. Stellt sich dann in der Pension herausstellt, hoppla, da gibt es ja eigentlich sonst nichts mehr, ist das fatal. Oder wenn jemand sagt, "Ich habe ja meinen Garten – mehr brauche ich nicht." Was ist, wenn im Alter die Gartenarbeit zu anstrengend wird? Deshalb ist es wichtig, voneinander unabhängige Rollen zu haben, die nicht von einem Faktor abhängig sind.
Also auch nicht in einem einzigen Verhaltensmuster ein Leben lang stecken bleiben?
Ja. In der Kindheit ist alles auf breiten Wissenserwerb ausgelegt. Aber ab dem 20., 30. Lebensjahr werden diese Speed-Funktionen – Flexibilität, Spontanität, Geschwindigkeit, Veränderung – weniger. Power-Funktionen, die auf Automatismen aufbauen, werden stärker – das gibt uns einerseits Sicherheit und Identität, andererseits entwickeln wir eingefahrene Muster – im Handeln, Denken und Fühlen.
Doch genauso, wie man den Körper trainiert, lassen sich diese Speed-Funktionen trainieren. Das ist ein Geheimnis vieler erfolgreicher älterer Menschen. Viele der "jungen Älteren" – zwischen 45 und 65 – treten heute noch in eine ganz neue Lebensphase ein: Sie brechen aus alten Mustern aus, wechseln den Job, gehen in eine andere Branche, verändern ihre sozialen Strukturen. Das heißt jetzt für eine Beziehung nicht unbedingt Trennung – aber Weiterentwicklung. Probleme entstehen, wenn ein Partner Lust auf Neues hat und der andere das traditionelle Bild weiterlebt – nach dem Motto: "Warum willst du plötzlich ständig fortgehen und reisen? Wir haben es doch eh so schön zu Hause."
Ist es nicht natürlich, dass im Alter Geschwindigkeit und Gedächtnisleistung zurückgehen?
Sicher, aber es ist möglich, durch Lebensstil und geistiges Training – von Computerprogrammen bis zum Lernen neuer Sprachen – gegenzusteuern. Die Kombination von geistiger, körperlicher und sozialer Aktivität ist das Beste für das Gehirn. Man kann sein psychologisches Lebensalter damit um ein Drittel zurückversetzen. Ein aktiver 60-Jähriger kann die geistige Leistungsfähigkeit eines durchschnittlichen 40-Jährigen haben. Es bringt aber nichts, nur freudlos Gedächtnisübungen am Computer zu machen. Spaß und soziale Kontakte gehören unbedingt dazu. In unserem Zentrum bieten wir Gedächtnistrainings in der Gruppe an – da kombiniere ich Soziales und Intellektuelles.
Und was ist mit dem Spruch, "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr?"
Der ist falsch. Unser Gehirn kann bis ins höchste Lebensalter trainiert werden. Hans kann sogar Manches viel besser lernen als Hänschen: Weil er Erfahrung, Routine und – in der Pension – auch Zeit hat. Wer regelmäßig läuft, merkt bald konditionelle Fortschritte. Wer regelmäßig Vokabel lernt, verbessert sich dabei ebenfalls. Viele Menschen müssen von diesem defizitorientierten Ansatz – "das zahlt sich nicht mehr aus, das kann ich nicht mehr, das macht man im Alter nicht mehr" – wegkommen. Bei mir war eine 80-jährige Dame in Therapie, die nach dem Tod ihres Mannes depressiv war. Zeit ihres Lebens war sie sehr auf die Familie und die Kinder bedacht, hat eigene Interessen zurückgesteckt und kam nie viel zum Reisen. Sie hatte ein starkes Bild einer sozialen Norm vor Augen, dass es nicht in Ordnung sei, wenn sie mit 80 Jahren noch alleine auf Reisen geht. Darüber haben wir lange gesprochen. Heute reist sie mit viel Freude, hat die Depression überwunden und hält ihr Gehirn auf Trab.
INFORMATION:
Zentrum für Gedächtnisvorsorge an der Sigmund-Freud-Privatuniversität
Salztorgasse 5, 1010 Wien
Info-Hotline: 0699 / 15053186
eMail: gedaechtnis@sfu.ac.at
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