Wie Forscher in NÖ durch Zufall auf 4.000 Jahre alte Pest-Tote stießen

Wie Forscher in NÖ durch Zufall auf 4.000 Jahre alte Pest-Tote stießen
Die tödliche Seuche wütete bereits viel früher als im Mittelalter. Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass es die Pest bereits vor 4000 Jahren gab.

lSie könnten Hirten gewesen sein, die das ganze Jahr über mit Weidetieren auf Wanderschaft unterwegs waren. Vielleicht waren sie aber auch an Kriegszügen beteiligt. Wenig ist bekannt über diese zwei „Männer im besten Alter“, wie Archäologin Katharina Rebay-Saisbury von der Akademie der Österreichischen Wissenschaften (ÖAW) ihre aktuellen Forschungsobjekte beschreibt. Fest steht jedenfalls, dass sie in der frühen Bronzezeit im Alter von 23 bis 30 Jahren bzw. 22 bis 27 Jahren starben.

Zu später Berühmtheit brachten sie es dennoch. Wenn auch erst jetzt, rund 4.000 Jahre nach ihrem Tod – und ausgerechnet durch die Ursache ihres Hinscheidens. Die durchaus keine wünschenswerte ist, aber wertvolle Forschungsdaten liefert. In ihren Analysen konnten Rebay-Salisbury und sechs weitere Wissenschafter nachweisen, dass die Männer mit dem Pesterreger infiziert waren. Bisher galten Funde aus dem Mittelalter als die ältesten Pesttoten Österreichs. Die Daten werden in der Fachzeitschrift Archaeologia Austriaca veröffentlicht.

Zufallsfund

Dabei war die Pest gar nicht der Fokus des Forschungsprojekts, sie war eher „ein Nebenprodukt“ (Rebay-Salisbury). Im Mittelpunkt standen genetische Verwandtschaftsbeziehungen in der Bronzezeit.

Für das Projekt unter Führung der Akademie der Wissenschaften wurde ein Gräberfeld bei Drasenhofen im nördlichen Weinviertel erkundet. Erst 2018 hatte man es beim Bau der Ortsumfahrung entdeckt.

Wie Forscher in NÖ durch Zufall auf 4.000 Jahre alte Pest-Tote stießen

Hier wurde das Gräberfeld gefunden.

Ideal zeigte es sich für diese Fallstudie: Eine überschaubare Gruppe aus 25 Personen in elf Gräbern. „So kann man alle untersuchen“, erklärt die Forscherin diese Auswahl. Den Pesterreger Yersinia pestis fand man in Proben aus dem Inneren der Zahnkronen der beiden Skelette. Hier verlaufen Blutgefäße, und auch nach Tausenden Jahren ist es möglich, Krankheitserreger festzustellen, die sich zum Zeitpunkt des Todes im Blut befanden.

Wie Forscher in NÖ durch Zufall auf 4.000 Jahre alte Pest-Tote stießen

Die Pest-Infizierten wurden am Rand (rechts oben im Bild) begraben.

Dass die beiden Männer an einer ansteckenden Krankheit verstorben waren, wussten ihre Zeitgenossen offenbar. „Ihre Gräber befanden sich in Randlage“, schildert Rebay-Salisbury. Eine weitere Erkenntnis aus der genetischen Analyse der Toten: Sie trugen zwei verschiedene Pestbakterien in sich, trotz der räumlichen und zeitlichen Nähe ihres Todes. Für die Forscher zeigt das: Die Infektion wurde nicht in der Gruppe weitergegeben – es waren zwei verschiedene Infektionsereignisse.

Doch wie und warum kamen die beiden jungen Männer überhaupt in Kontakt mit den tödlichen Krankheitserregern? Die beiden Niederösterreicher waren wohl nicht die einzigen Pestopfer der Bronzezeit. Dass es sich aber auch bei ihnen um Männer handelt, sei laut Rebay-Salisbury typisch. „Unter allen bisher publizierten Pestopfern der späteren Urgeschichte in Eurasien waren mehr Männer als Frauen.“ Denn: „Die Männer dürften Tätigkeiten vollbracht haben, die sie näher in Kontakt mit Pestüberträgern brachten, etwa durch Arbeiten mit Fleisch auf der Jagd.“

Tröpfcheninfektion

Dafür spricht auch eine weitere Erkenntnis. „Anders als später im Mittelalter wurde die Pest nicht von Flöhen oder Ratten übertragen“, erklärt die Wissenschafterin. „Wir gehen davon aus, dass es sich um eine direkte Tröpfcheninfektion handelte.“ Daher könnte die Ausbreitung ebenso durch Kriegszüge beschleunigt worden sein.

Die beiden Opfer waren jedenfalls Teil einer Gruppe. Die Toten im Gräberfeld waren übrigens, wie die bisherigen Forschungsergebnisse zeigen, „alle sehr eng miteinander verwandt“. Rebay-Salisbury berichtet etwa von einem Großvater, zwei Töchtern und Enkeln. Dass ihre ursprüngliche Forschung derzeit von den Pesttoten überlagert wird, nimmt sie gelassen. „Es ist schon cool, dass wir die Infektionen entdeckt haben.“

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