Das Chamäleon unter den Schmetterlings-Raupen

Die Raupen des Birkenspanners verschmelzen optisch mit ihrer Umgebung.
Birkenspannerraupen sehen mit der Haut. So können sie die Farbe des Untergrunds erkennen und ihre Körperfarbe anpassen.

Raupen des Birkenspanners sind nur schwer von einem Zweig zu unterscheiden. Dabei ahmen sie nicht nur die Form eines Zweigs nach, sondern auch dessen Farbe. In einer Studie konnten Wissenschafter Universität Liverpool und des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie nun zeigen, dass Raupen die Farbe der Zweige mit der Haut wahrnehmen. Raupen, deren Augen geschwärzt waren, passten ihre Farbe dennoch dem Untergrund an. Wenn sie die Wahl hatten, suchten auch „blinde“ Raupen bevorzugt Zweige auf, die ähnliche Farben haben wie sie selbst. Zudem wurden Gene, die für Sehen erforderlich sind, nicht nur in den Augen der Raupen aktiviert, sondern auch in deren Haut.

Auch Insekten als Anpassungskünstler

Tintenfische, Chamäleons und einige Fische sind dafür bekannt, dass sie ihre Farbe an ihre Umgebung anpassen können, um sich zu tarnen. Dazu besitzen sie ein System, um Licht und Farbe unabhängig von den Augen wahrzunehmen. Manche Insekten, darunter der Birkenspannerraupen - Biston betularia -, passen auch ihre Körperfarbe an die Farbe ihrer Futterpflanze an, obwohl dieser Farbwechsel verglichen mit anderen Tieren nur eher langsam verläuft. Bis jetzt war Forschern aber kein Insekt bekannt, das Farbe in seiner Umgebung wahrnehmen kann.

Farbwechsel durch Futter oder Sehen

Unklar war auch, wie der Farbwechsel erfolgt. Zwei Theorien wurden bereits vor mehr als 130 Jahren vorgeschlagen; nämlich, dass der Farbwechsel durch die Nahrung verursacht werden könnte oder indem das Tier die Farbe sieht. Da einige Insekten dafür bekannt sind, dass sie Licht – aber keine Farbe - über die Haut wahrnehmen können, haben die Forscher aktuell drei unterschiedliche Ansätze verfolgt, um das Rätsel zu lösen, wie Birkenspannerraupen ihre Farbe der Umgebung anpassen.

Blind

Zunächst wollten sie herausfinden, ob Raupen, deren Augen mit Acrylfarbe schwarz übermalt waren, dennoch ihre Farbe dem Untergrund anpassen können. Die „erblindeten“ Raupen wurden jeweils auf weißen, grünen, braunen und schwarzen Zweigen angezogen und ihre Farbe beobachtet. Auch ohne mit den Augen sehen zu können, verfärbten sich die Raupen entsprechend ihres Untergrunds. Die Färbung war genauso intensiv wie bei Raupen, deren Augen nicht geschwärzt waren.

Auswahl

In Verhaltensuntersuchungen, bei denen Raupen mit geschwärzten Augen die Wahl zwischen Zweigen in den genannten vier Farben hatten, setzten sie sich auf den Zweig, der ihrer Farbe am ähnlichsten war.

Gene

Im dritten Ansatz untersuchten die Wissenschafer, in welchen Körperteilen Gene, die mit Sehen in Zusammenhang stehen, aktiv sind. Sie fanden sie nicht nur im Kopf der Raupen, wo sich die Augen befinden, sondern auch in der Haut aller Körpersegmente. Ein Seh-Gen wurde sogar in der Haut stärker abgelesen als in den Köpfen der Raupen.

Wettrüsten zwischen Räuber und Beute

„Farbänderung ermöglicht Tieren, sich an ihre Umgebung anzupassen und reduziert sehr wahrscheinlich das Risiko gefressen zu werden“, fasst Co-Autorin Hannah Rowland die ökologische Bedeutung der Studie zusammen. Kollegin Amy Eacock ergänzt: „Wir haben ein Computermodell entwickelt, das so wie Vögel „sehen“ kann, so dass wir schließen können, dass sich diese Anpassungen – Farbänderung, Nachahmung eines Zweigs, Aufsuchen des Untergrund, der zur eigenen Farbe passt – über lange Zeiträume entwickelt haben, um zu verhindern von Räubern wahrgenommen zu werden. Raupen mit besserer Farbwahrnehmung werden wahrscheinlich seltener von Räubern gefressen, während Vögel mit verbessertem Sehvermögen mehr Raupen fressen, so dass sich das evolutionäre Wettrüsten zwischen Räuber und Beute fortsetzt.“

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