Der Stoff hat alle Zutaten eines Wallstreet-Krimis um Macht und Moneten: Eine Investorenlegende, die in der Vergangenheit mit umstrittenen Methoden zu sagenhaftem Reichtum und Ruhm gelangte, wird mit den eigenen Mitteln von einem jüngeren Mitbewerber frontal angegriffen.
Was ist passiert: Der Aktienkurs von Icahn Enterprises (IEP), des Firmenkonglomerates von Starinvestor Carl Icahn, brach seit Dienstag dieser Woche um gut 40 Prozent ein, nachdem es von dem Leerverkäufer ("Short-Seller") Hindenburg Research in die Mangel genommen wurde. Weitere Kursturbulenzen sind zu erwarten.
Die Methode: Leerverkauf
Hindenburg gab eine so genannte Short-Position an Icahn Enterprises bekannt. Bei diesen auf fallende Kurse laufenden Börsenwetten verkaufen die Leerverkäufer in der Regel geliehene Wertpapiere mit dem Ziel, diese zu einem niedrigeren Preis zurückzukaufen. Die Spanne zwischen Kauf und Verkauf ist dann der Gewinn. Hindenburg verdient also prächtig daran, wenn der Kurs der IEP-Aktie einbricht.
Der Vorwurf: Pyramidensystem
Um den Kurs nach unten zu drücken, behauptete Hindenburg in einem Bericht, dass Icahn Enterprises den Wert seines privaten Vermögens, die größte Position im Portfolio, überbewerte und eine Art "Ponzi-System" (Schneeballsystem) betreibe. Dabei werden immer neue Anleger mit hohen Renditeversprechungen geködert. Mit den Geldern der neuen Investoren werden dann die Dividenden an die übrigen Anleger ausbezahlt.
In diese Richtung zielt daher auch einer der Hauptvorwürfe von Hindenburg: Die Dividendenzahlungen von Icahn Enterprises seien durch den Cashflow und die Investment-Performance schlicht nicht gedeckt. Größere Positionen im IEP-Portfolio sind der Autozulieferer Dana und der IT-Dienstleister Xerox.
Icahn wies am Donnerstag die "aufrührerischen Behauptungen" in einer Mitteilung brüsk zurück und warf wiederum Hindenburg vor, mit dem Bericht bewusst den Aktienkurs zu beeinflussen. Er beabsichtige "ausführlich zu antworten und die IEP und seine Anteilseigner energisch zu verteidigen", so der 87-Jährige Icahn.
Anleger könnten sich selbst ein Bild vom Zustand des Unternehmens machen, indem sie die Unterlagen begutachten, die IEP auf seiner Investor-Relations-Seite veröffentliche und bei der US-Börsenaufsicht SEC eingereicht habe. Von außen ist es freilich schwer, den Wahrheitsgehalt der Vorwürfe zu überprüfen.
Hinter der Investmentfirma Hindenburg Research steht der 38-jährige Finanzanalyst Nathan (Nate) Anderson. Er hat sich als aggressiver Leerverkäufer, der auf den Kursabsturz von Aktien wettet, einen zweifelhaften Ruf an der Wallstreet erworben.Seit 2017 hat er bei mindestens 16 Unternehmen vermeintlich Kritikwürdiges aufgedeckt und in öffentlichen Reports gebrandmarkt. Dabei ging es um zu optimistische Prognosen, gierige Manager oder falsche Prognosen.
2020 sorgte Hindenburg für Aufsehen, als es enthüllte, dass das hochbewertete Elektro-Lkw-Startup Nikola unter anderem das Video von einer Lkw-Fahrt gefälscht hatte, während es offenbar noch kein einziges funktionierendes Fahrzeug gebaut hatte. Prominentestes "Opfer" in diesem Jahr war die indische Adani-Gruppe, dessen Aktienkurs Hindenburg mit gezielten Missbrauch-Vorwürfen ins Wanken brachte und dadurch einen Verlust von rund 100 Milliarden Dollar an Marktkapitalisierung einbrockte. Adani ist einer der reichsten Inder, der Fall sorgte für viel Wirbel an der Börse.
Der heute 87-jährige Multimilliardär Carl Icahn ist seit mehr als 60 Jahren an der Börse aktiv - und gefürchtet. Als aktivistischer Investor, genannt "Corporate Raider" (zu Deutsch: "Unternehmensplünderer" oder "Heuschrecke" ) beteiligte er sich an vielen Unternehmen, um sie dann auf Effizienz zu trimmen, zu zerschlagen und die Anteile wieder gewinnbringend zu verkaufen. So erwarb er etwa die US-Fluglinie TWA und dann alle wichtigen Vermögenswerte Stück für Stück weiterverkaufte. Icahn verdiente Hunderte Millionen Dollar, während die Airline pleite ging.
Das Magazin Forbes schätzt das Vermögen von Icahn zuletzt noch auf rund 18 Milliarden Dollar. Es könnte nun rasch weniger werden...
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