Endlich wäre alles auf Schiene gewesen. In Rumänien wurden im Vorjahr die Steuerblockaden für Offshore-Förderungen gelockert, die OMV will im Sommer grünes Licht für das Großprojekt „Neptun Deep“ im Schwarzen Meer geben. Die Erschließung der riesigen Gas-Reserven rund 170 Kilometer vor der Küste Rumäniens habe Priorität, betonte Konzernchef Alfred Stern. Staatspräsident Klaus Iohannis hatte im November 2022 bei einem Besuch von Stern gedrängt, noch vor Jahresende zu entscheiden und die Milliarden freizugeben.
Vier Milliarden Euro sind für das Projekt geplant, das ein großer Schritt für Europas Unabhängigkeit von Russlands Gas wäre.Doch jetzt droht „Neptun Deep“ das Aus, noch bevor alles richtig begonnen hat.
Das Parlament in Bukarest winkte vor Kurzem die Dringlichkeitsverordnung für eine 60-prozentige Übergewinnsteuer auf Öl- und Gas rückwirkend ab 2022 für zwei Jahre durch. Für den rumänischen Energiekonzern Petrom, an dem die OMV die Mehrheit hält, würde das eine zusätzliche Belastung von rund 800 Millionen Euro bedeuten, schätzen Experten. Zusätzlich drohen Petrom eine Wettbewerbs- und eine Steuerstrafe von jeweils rund 100 Millionen Euro.
Der 50-Prozent-Partner im Schwarzen Meer ist die teilstaatliche Romgaz, die mit rund 200 Millionen Dollar Mehrbelastung kalkulieren müsste. OMV Petrom und Romgaz teilen sich die Erschließungskosten zu je 50 Prozent. Ursprünglicher Partner der OMV Petrom war ExxonMobil, Romgaz legte eine Milliarde Dollar hin, um die Amerikaner auszukaufen. 350 Millionen Dollar mussten über Banken finanziert werden.
Gasprojekt gefährdet
Rumänien gehe wesentlich schärfer vor als die EU mit ihrer Verordnung zur Übergewinnsteuer, kritisiert Ex-Finanzstaatssekretär und Rechtsanwalt Gabriel Biris. Er sieht die Investitionsbereitschaft der beiden wichtigsten Energieunternehmen in Rumänien, Romgaz und Petrom, „ernsthaft beeinträchtigt und die Entscheidung für das Gas-Projekt im Schwarzen Meer gefährdet“, erklärt er gegenüber dem KURIER.
„Das ist eine Schande. Dieses Vorgehen kann die Chancen für Neptun schwer gefährden und die Unternehmen beschädigen“, warnt Adrian Volintiru, ehemaliger CEO der zu 70 Prozent im Staatsbesitz stehenden Romgaz. Auch er befürchtet, dass Romgaz die Milliardeninvestition für Neptun nicht stemmen könne. Obendrein könne der Staat die Dividende auf 90 Prozent erhöhen.
Über die Gründe für diese Entscheidung wird in Rumänien heftig spekuliert. Das Klima gegenüber Österreich hat sich seit dem Veto gegen den Schengen-Beitritt Rumäniens stark eingetrübt. In der Öffentlichkeit wird kritisiert, dass zwar Stromversorger eine Übergewinnsteuer zahlen müssten, nicht aber der einzige Rohölproduzent, OMV Petrom. Rechte Politiker in Rumänien fordern eine Re-Verstaatlichung der hoch profitablen Petrom.
Doch an eine direkte Retourkutsche für die OMV und damit für Österreich glauben Insider eher weniger.
Russische Interessen
Viel mehr wird in rumänischen Polit- und Wirtschaftskreisen vermutet, dass im Hintergrund russische Interessen mitspielen. Obwohl Rumänien auf großen Gaslagerstätten sitzt, wurde die Energieversorgung des Landes immer stärker von Russland abhängig. „Der Anteil der Gas-Importe steigt jedes Jahr. Zwischen 2018 und 2021 von fünf auf 30 Prozent des Gesamtverbrauchs“, rechnet Biris vor.
Für ihn ist das Gesetz Teil einer Reihe von Maßnahmen „mit der offensichtlichen Wirkung, Investitionen in die Steigerung der rumänischen Gasproduktion sowohl an Land als auch insbesondere vor der Küste zu verhindern“.
„Die Russen haben ihre Leute überall“, meint dazu Volintiru. Nachsatz: „Bekanntlich auch in Österreich.“
Die OMV will in dieser aufgeheizten Stimmungsgemengelage lieber keinen Kommentar abgeben.
Würde die Förderung im Schwarzen Meer zeitgerecht beginnen, könnte 2027 das erste Gas fließen. In 100 bis 1000 Meter Tiefe lagern geschätzte 100 Milliarden Kubikmeter Gas. Zum Vergleich: Der Erdgasverbrauch Österreichs liegt bei knapp neun Milliarden Kubikmeter.
Um auch Österreich mit Neptun-Gas zu versorgen, müssten jedoch erst Pipelines ausgebaut bzw. verstärkt werden. 2018 gab es bereits ein Pipeline-Projekt, um Europas Abhängigkeit von Russland zu verkleinern. Der staatliche rumänische Betreiber Transgaz begann mit dem Bau der BRUA-Pipeline, doch trotz EU-Förderungen von 430 Millionen Euro wurde das Projekt wieder eingestellt. Die Pipeline hätte Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Österreich mit dem Schwarzen Meer verbinden sollen.
Investoren besorgt
Investoren beobachten die Vorgänge in Rumänien seit geraumer Zeit generell mit Sorge. Biris spricht von „einem Klima der Unsicherheit für das gesamte Geschäftsumfeld in Rumänien. Vorletzte Woche hat es Petrom erwischt, wer weiß, wann und wie solche Gesetze gegen andere Unternehmen zukünftig erlassen werden“.
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