Flugzeuge auf dem Boden: Wie Passagiere die Airlines finanzieren

Flugzeuge auf dem Boden: Wie Passagiere die Airlines finanzieren
20 Milliarden Euro an Ticketvorauszahlungen als Liquiditätsreserve / Gutscheine sind nicht verpflichtend.

Mit den Airlines ist es derzeit ähnlich wie mit den Banken. Stürmen alle Kunden ein Kreditinstitut und wollen ihre Spareinlagen zurück, würde das auch die stabilste Bank nicht überleben.

Seit 15. März ist der Flugverkehr am Boden. Das große Problem der Airlines sind aber nicht die Aufwendungen für die stillgelegten Flotten oder die Personalkosten, die über Kurzarbeit großteils bereits an die Staaten ausgelagert sind. Sondern die Ansprüche der Passagiere.

Rückerstattung

Denn die Kunden haben ihre Tickets längst bezahlt. Wird ein Flug gestrichen, muss die Airline laut EU-Recht (Artikel 8 EU-Verordnung 261/2004) die gesamten Ticketkosten ohne Abzug innerhalb von sieben Tagen rückerstatten.

Flugzeuge auf dem Boden: Wie Passagiere die Airlines finanzieren

Andreas Sernetz, FairPlane.

„Geld zurück? Fehlanzeige. Passagiere werden von den Airlines zur Zeit als Bank missbraucht und finanzieren die Liquiditätslücke der Unternehmen. Das ist gängige Praxis aller Airlines im EU-Raum“, kritisiert Andreas Sernetz, Chef von FairPlane, einem heimischen Portal für Passagier-Entschädigungen.

Die Summen sind enorm. Laut dem Weltluftfahrtverband IATA haben Europas Airlines rund 20 Milliarden Euro an Kundenforderungen in ihren Büchern.

Flugzeuge auf dem Boden: Wie Passagiere die Airlines finanzieren

Die AUA-Mutter Lufthansa habe noch vier Milliarden Euro an Liquidität in der Kasse, erklärte Konzern-Chef Carsten Spohr vergangene Woche bei der wegen Corona digital abgehaltenen Hauptversammlung. 1,8 Milliarden Euro an Kundengeldern für stornierte Flüge seien bis dato nicht ausbezahlt, bestätigte Spohr. Derzeit verbrennt Europas größter Luftfahrtkonzern allerdings monatlich 800 Millionen Euro, Vorauszahlungen für neue Tickets tröpfeln spärlich herein.

300 Millionen bei AUA

Bei der AUA, die nicht verrät, wie viel Liquidität sie noch hat, sollen sich die Kundengelder auf 300 Millionen belaufen. Seit Beginn der Corona-Krise haben sich bei FairPlane rund 3.000 Airline-Kunden gemeldet, den durchschnittlichen Ticketpreis beziffert Sernetz mit 650 Euro.

Tagelang nicht erreichbar

Keine Airline zahle innerhalb der sieben Tage zurück, „es wurden sogar die Refund-Optionen für Reisebüros und Onlinevermittler in den Buchungssystemen deaktiviert“. Airlines seien „laut unseren Kunden tagelang nicht erreichbar und erzählen dann, dass sie nur Gutscheine ausgeben dürften“, berichtet Sernetz aus der Praxis.

Gutscheine kann, muss der Passagier aber nicht akzeptieren. Im Fall einer Insolvenz trägt der Kunde nämlich das gesamte Risiko. Das gilt auch für das vom Lufthansa-Chef im Poker um Staatshilfe ins Spiel gebrachte Schutzschirmverfahren.

EU lehnt ab

Einige Staaten intervenierten bei der EU, die Fluggastrechte aufzuweichen. Gleich drei deutsche Minister schickten laut ARD einen Brief an EU-Verkehrskommissarin Adina Valean und ihren Justizkollegen Didier Reynders, temporär auch ohne Zustimmung des Fluggastes Gutscheine statt Rückerstattung zuzulassen. Keine Zwangsgutscheine, beschied Brüssel. Stattdessen empfiehlt Valean, Gutscheine „wirtschaftlich interessant“ zu machen und gegen Insolvenz abzusichern.

Gute Verzinsung

„Wer auf die AUA vertraut, bekommt eine gute Verzinsung“, wirbt AUA-Sprecher Peter Thier, vormals Banker. Für Gutscheine gibt es einen Bonus von 50 Euro. Das sei bei einem durchschnittlichen Ticketpreis von 200 bis 300 Euro doch eine feine Rendite.

Nur die Minderheit der Kunden bestehe derzeit auf Geld zurück. Die Auszahlungen dauern vier bis acht Wochen. „Da steckt aber keine Absicht dahinter“, beteuert Thier. Die AUA bitte um Verständnis, „das ist eine Ausnahmesituation, nicht nur in Österreich“.

Flugzeuge auf dem Boden: Wie Passagiere die Airlines finanzieren

Freundlich zu Passagieren

Bei einer Online-Befragung der Reise-Plattform BoardingArea, wie die Airlines mit Kundenanfragen umgehen, schnitten Air China, British Airways/Iberia, American Airlines und Finnair am passagierfreundlichsten ab.

Schlecht bewertet wurden die Airlines der Lufthansa Group. Knapp die Hälfte der Kunden sagte, keine konsumentenfreundliche Lösung erhalten zu haben. 22 Prozent erhielten überhaupt keine Antwort, nur 14 Prozent bekamen den vollen Ticketpreis zurück. Die Billigflieger wurden etwas besser bewertet. Eine Auszahlung könne aber bis zu sechs Monate dauern, sagte Ryanair-Chef Michael O’Leary, man kämpfe derzeit bei reduziertem Personal mit einem Rückstau von 25 Millionen Anträgen.

Kommentare