Wirecard könnte bei ÖBB-Auftrag Insiderwissen gehabt haben

Der Wirecard-Konzern war im Juni 2020 zusammengebrochen
ORF, "profil" und "Standard" haben E-Mail-Verkehr ausgewertet und vermuten, dass bei Ausschreibung "getrickst" wurde.

Der ORF, "profil" und "Standard" haben Zugriff auf E-Mails zwischen den ÖBB und dem mittlerweile insolventen deutschen Zahlungsabwickler Wirecard erhalten und vermuten, dass Wirecard bei einer Ausschreibung des ÖBB-Personenverkehrs 2015 mit Insiderwissen "getrickst" haben könnte, um den Zuschlag zu erhalten. Die ÖBB bestreiten das, der damalige ÖBB-Generaldirektor und spätere SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern war nach eigenen Angaben in die Auftragsvergabe nicht involviert.

Zuschlag bei erneuter Ausschreibung

Bei der EU-weiten Ausschreibung im Mai 2015 mit einem Auftragsvolumen von 24 Mio. Euro ging es um die Abwicklung des elektronischen Zahlungssystems für den ÖBB-Personenverkehr. Das Angebot von Wirecard dürfte anfangs zu teuer gewesen sein. Man habe konkretes Feedback von den ÖBB erhalten, dass man zu teuer sei, schrieb laut den drei Medien Mitte September 2015 ein Wirecard-Manager an Marsalek. Die Personenverkehrstochter der ÖBB zog die Ausschreibung zurück und bei der neuen Ausschreibung erhielt Wirecard den Zuschlag. Aufgrund der E-Mail-Korrespondenz kann man vermuten, dass der nun auf der Flucht befindliche damalige Wirecard-Vertriebschef Jan Marsalek Insiderwissen hatte. 

So ist etwa ersichtlich, dass Marsalek persönlich Druck bei den Verhandlungen gemacht hatte. Er dürfte darauf geachtet haben, dass das Angebot von Wirecard nicht zu niedrig wird. Laut einer Mail wies er seine Mitarbeiter darauf hin, dass es Informationen zum richtigen Preis nur von ihm gebe.

Erfolgloser Einspruch

Der Einspruch eines Mitbewerbers blieb erfolglos. Mit der Erfüllung des Vertrags durch Wirecard waren die ÖBB später nicht zufrieden, den Berichten der in die Auswertung der Mails involvierten Medien zufolge bezahlte Wirecard bis 2019 Vertragsstrafen von mehreren Hunderttausend Euro.

Den Kontakt zwischen ÖBB und Wirecard soll ein ÖVP-naher Berater hergestellt haben, der aber gegenüber den recherchierenden Medien erklärte, er habe dafür weder einen Vertrag gehabt noch Geld bekommen. Der damalige ÖBB-Chef und spätere SPÖ-Bundeskanzler Kern erklärte, er sei in den Deal nicht eingebunden gewesen.

Plüsch-Panda als Indiz

Hinweis auf die Bemühungen von Wirecard, den Auftrag zu bekommen, ist laut profil, "Standard" und ORF auch ein Plüsch-Panda, der sich 2014 auf die Reise von Deutschland nach Österreich machte. Den hatte die erwähnte Bahn-Managerin einige Wochen vor der Sendung beim Münchner Oktoberfest vergessen. Dort hatten Mitarbeiter von ÖBB und Wirecard gemeinsam nach einer Präsentation des Finanzdienstleisters gefeiert. Die Assistentin von Jan Marsalek selbst hat noch einige Brandlöcher geflickt, die beim Feiern entstanden sind. Ein halbes Jahr später haben die ÖBB den besagten Auftrag mit einem Volumen von 24 Millionen Euro ausgeschrieben. Es ging um einen Vertrag für 469.000 Tickets pro Jahr. 

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