Wenn leere Schaufenster das Stadtbild prägen

Runtergezogener Rollladen eines ehemaligen Uhrmacher
Allein in Wien stehen rund 300 Geschäftslokale leer. Mit einer Förderung soll die Trendwende geschafft werden.

Von Franziska Trautmann 

Trostlos sieht es aus, wenn man durch die Untere Augartenstraße geht. Verlassene Schaufenster, beschmierte Rollbalken, Firmenschilder von Unternehmen, die es nicht mehr gibt. In manchen Stadtteilen greift der Leerstand um sich. „Ich glaube, viele Leute shoppen einfach online. Das ist bequemer, da müssen die Leute  nicht mehr rausgehen“, sagt die 28-jährige Mirzame bei einem Lokalaugenschein zum KURIER. 

Fast 70 Prozent shoppen online

Denn wer kennt es nicht? Mit einem kleinen Klick zum Warenkorb hinzufügen und schon ist die neue Hose bestellt. Über einer App am Smartphone ist Online-Einkaufen heutzutage leicht gemacht. Zumindest denken so 69 Prozent der Österreicher (ab 15 Jahren), denn die shoppen am liebsten digital. Worauf dabei aber schnell vergessen wird: lokale Geschäfte ums Eck. Laut Wiener Wirtschaftskammer (WKW) stehen in der Bundeshauptstadt Wien derzeit über 300 Geschäftslokale leer

Online-Giganten wie Temu oder Amazon gewinnen immer mehr an Popularität. Mit billigen Preisen und Lieferungen bis vor die Haustür machen sie heimischen Unternehmen zunehmend Konkurrenz. Rund eine Million Wiener im Alter von 16 bis 74 Jahren nutzen laut Wirtschaftskammer den Online-Handel regelmäßig. Im letzten Jahr gaben die Wiener rund 1,96 Milliarden Euro dafür aus. Am beliebtesten sind Kleidung, Möbel und Bücher.  „Ich merke, dass viele Geschäfte leer werden. Die großen Ketten bleiben, aber die kleinen Boutiquen gehen ein “, sagt Claudia (39). Sie lebt im 2. Wiener-Gemeindebezirk. Dort stehen ehemalige Einzelhändler wie ein Uhrenmacher oder ein Elektrofachgeschäft schon länger leer.

Leere Schaufenster einer Schneiderei

Initiative gegen Leerstände

Gemeinsam mit dem 20. Bezirk hat Leopoldstadt beschlossen,  dagegen vorzugehen und leer stehende Geschäftslokale nachhaltig zu beleben und damit das Grätzl langfristig aufzuwerten. Denn auch Brigittenau kämpft schon lange mit vielen leeren Schaufenstern. „Ich lebe in der Nähe von der Wallensteinstraße und mir fällt oft auf, dass dort viele Lokale und Geschäfte leer stehen. Es wirkt ein bisschen ausgestorben“, sagt Marianne (34), die seit mehreren Jahren dort lebt. In den Seitengassen der Wallensteinstraße steht ein Geschäft nach dem anderen leer, von Neu-Vermietungen nichts zu lesen. 

Geschlossener Geflügelhandel und schmutziges Fenster

Mit der „Grätzlinitiative 20+2 – Calls“ unterstützt von WieNeu+ und der Wirtschaftsagentur Wien wird jetzt gegen den Leerstand in den Bezirken gearbeitet. Neugründungen sollen gefördert werden. Aus über 60 Einreichungen wurden letztes Jahr zehn Gewinner-Konzepte ausgewählt. Die Unternehmer hatten mehrere Monate Zeit, um ein Geschäftslokal anzumieten und loszulegen. 

Drei waren erfolgreich, das erste Projekt lud bereits zur Eröffnung ein. Dabei handelt es sich um das Kulturzentrum „Deaf Space“ des Vereins Gebärdenverse im 20. Bezirk. Damit eröffnete der erste „dritte Raum“ für die Gehörlosen-Community in Wien. Die Räumlichkeiten stehen der Community kostenlos zur Verfügung und vielfältige Kurse sollen angeboten werden. 

Platz für neue Ideen

Die anderen zwei Projekte sind zwar noch nicht eröffnet, aber bald und befinden sich in der Leopoldstadt. Der HOLi Social Health Hub wird auf der Taborstraße zu finden  sein und wird das erste Gesundheitszentrum, das unter dem sogenannten „gewichtsneutralen“ Wertesystem arbeitet. Beratungs-, Therapie- und Fitnessräume sind geplant. 

Ein bisschen südlicher werden die solidarischen Landwirtschaften „Ouvertura & GeLa Ochsenherz“ bald eröffnen. Mit ihrem Konzept möchten sie  nachhaltige und faire Lebensmittel anbieten. Der Raum soll auch als Treffpunkt für Versammlungen, öffentliche Themenabende, Kurse und  als Nachbarschaftsküche genutzt werden. Auch Lenard (26) fällt der  Umschwung in der Leopoldstadt auf. „Es weht irgendwie frischer Wind im Bezirk. Man merkt, dass Platz gemacht wird für neue Ideen.“ 

Neben der Übernahme von 50 Prozent der Netto-Mietkosten in den ersten drei Jahren der Anmietung – bis maximal 12.000 Euro pro Jahr – werden die Gewinnerprojekte von WieNeu+ und der Wirtschaftsagentur Wien laufend begleitet und beraten. Die Förderschiene soll bald die Leerstände in ganz Wien unterstützen.

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