Weniger China, mehr Europa: Aufholjagd zum Batterieriesen

Batteriefabrik für Elektroautos in China
Die Abhängigkeit von China soll verringert werden. Ein europäischer Kraftakt, der bei der Batterieproduktion schneller als erwartet gelingen könnte

Rund 1,8 Millionen Elektroautos rollen auf Europas Straßen. In fünf Jahren sollen es 13 Millionen sein, in zehn Jahren 30 Millionen, wenn es nach den Plänen der EU-Kommission geht. Selbst der Verkehrsminister der Autoindustriegroßmacht Deutschland ließ gestern aufhorchen: „Unser Ziel muss das Auslaufen des fossilen Verbrenners bis 2035 sein“, sagte Andreas Scheuer der Welt am Sonntag.

Um das emissionsfreie Fahren derart voranzubringen, bedarf es allerdings gewaltiger Anstrengungen. Nicht nur gilt es, in Europa die Zahl von derzeit 200.000 Ladestationen auf 3 Millionen hochzutreiben. Vor allem soll das Herz der Elektroauto-Industrie gestärkt und europäischer werden – die Batterien der Fahrzeuge.

Weniger China, mehr Europa: Aufholjagd zum Batterieriesen

Bis 2030 braucht es in der EU drei Millionen Ladestationen

40 Prozent der gesamten Wertschöpfung in der Fertigung batterie-elektrischer Fahrzeuge entfällt auf den Akku. Und noch ist Europas Autoindustrie dabei fast gänzlich auf Lieferungen aus China und Südkorea angewiesen.

Das aber soll sich ändern. Denn schon 2025 werde Europa in der Lage sein, „jedes Jahr Batterien für sieben bis acht Millionen Fahrzeuge herzustellen“, versprach der Vizechef der EU-Kommission, Maros Sefcovic, am Freitag. Und er legte nach: Binnen fünf Jahre „wird die EU nach China der zweitgrößte Hersteller der Welt bei Lithium-Ionen-Batterien sein.“

Hohe Wertschöpfung

Vor vier Jahren eröffnete Sefcovic die Suche nach Mitstreitern für eine schlagkräftige „Batterie-Allianz“. Gefunden hat er sie in 14 EU-Staaten, darunter Österreich, und mehreren hundert Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen. Gemeinsames Ziel: Ein Drittel der weltweiten Batterieproduktion – und damit gewaltige Wertschöpfung – nach Europa zu holen.

Vor allem aber soll die Abhängigkeit von China reduziert werden. Der gemeinsame europäische Kraftakt zeigt erste Erfolge: Mehrere Fabriken für die Produktion von Batteriezellen („gigafactories“) sind bereits in Bau, insgesamt sind fast zwei Dutzend in Europa geplant. Die Hälfte davon in Deutschland.

Ein Boom, der nach der Hoffnung Brüssels in den kommenden fünf Jahren entlang der Batterie-Wertschöpfungskette bis zu 800.000 neue Jobs schaffen könnte.

Der Haken dabei: Noch fehlt es an den Fachkräften. „Hunderttausende Arbeiter müssen in den nächsten Jahren um- und weitergebildet werden“, forderte deswegen Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire in der Vorwoche. Er und sein deutscher Amtskollege Peter Altmaier sind die engagiertesten Treiber für den europäischen Batterie-Kraftakt.

Von österreichischer Seite sind sechs Unternehmen dabei: AVL, Borealis, Miba, Nextrom, Varta Micro Innovation sowie Voltlabor – ihre Forschungsprojekte werden von der EU-Kommission mit insgesamt 45 Mio. Euro gefördert. Europaweit sollen Förderungen von 2,9 Mrd. Euro Investitionen von mindestens 12 Mrd. Euro anstoßen.

Die Achillesferse

Das größte Problem für den europäischen Batterie-Schulterschluss aber bleiben die Rohstoffe: China kontrolliert den Markt für Lithium, Kobalt und Nickel nahezu vollkommen. Mehr als 70 Prozent dieser Rohstoffe, die überwiegend in Afrika oder Südamerika – unter teils horrenden Bedingungen – gefördert werden, sind in Besitz oder Teilbesitz chinesischer Firmen.
Bei den sogenannten Seltenen Erden ist Chinas Dominanz und Marktmacht noch größer: Europa ist hier zu 100 Prozent von China abhängig.

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Kobalt-Mine im Kongo: Horrende Arbeitsbedingungen

Der mögliche Ausweg: Recycling. Bereits vor einigen Monaten hat die Kommission einen Plan vorgelegt, wonach die wertvollen Rohstoffe in den Batterien wiederverwendet werden müssen. So sollen ab 2026 vom verwendeten Kobalt, Nickel und Kupfer 90 Prozent wieder verwertet werden, von Lithium 35 Prozent. In zehn Jahren wird die Recycling-Quote noch einmal nach oben geschraubt.

Aushilfe soll auch die Ausbeute europäischer Minen bieten: in Tschechien, in Serbien, Albanien und der Ukraine.

Für Teile der Autoindustrie ist es ebenfalls beschlossene Sache: Ford wird ab 2030 in Europa keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr anbieten, Volvo und Jaguar Land Rover ebenso wenig.

Volkswagen gibt sich da zurückhaltender: Bis 2030 sollen 70 Prozent aller Fahrzeuge, die verkauft werden, einen elektrischen Antrieb haben. Das wäre aber immerhin die Verdoppelung der bisher geplanten Quote.

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