Muss uns die steigende Arbeitslosigkeit Sorgen machen?

Ist der heimische Arbeitsmarkt jetzt am Abschwung? Die steigenden Zahlen im April beschäftigten am Dienstag Politik und Öffentlichkeit.
Für Ökonomen kommt die Entwicklung nicht überraschend. Der KURIER hat WIFO-Arbeitsmarktexperten Rainer Eppel befragt, was die Zahlen aussagen und ob sich das Klima am Markt weiter verschlechtert.
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Das ist die Ausgangssituation: Die Arbeitslosigkeit ist im April im Jahresabstand das erste Mal seit zwei Jahren gestiegen. Die Zahl der Arbeitslosen und Schulungsteilnehmer lag Ende April im Vergleich zum Vorjahresmonat um 1,2 Prozent höher. 331.156 Personen waren arbeitslos gemeldet oder in Schulung, das sind um 3.848 mehr als vor einem Jahr. Das entspricht im wesentlichen den Prognosen der Wirtschaftsforscher. "Es kommt nicht überraschend für uns", sagt auch Eppel. "Wir sehen, dass die Konjunkturschwäche am Arbeitsmarkt Spuren hinterlässt." Die Wirtschaft ist im zweiten Halbjahr 2022 stagniert und hat sich auch im Frühjahr verhalten entwickelt. Vor allem die Bauwirtschaft hat gelitten. "Das hinterlässt Spuren."
Die Entwicklung kam auch deshalb nicht überraschend, weil das gewohnte Minus vor der monatlichen Arbeitsquote schon seit längerem abschmilzt. Eppel: "Wir sehen ein ganzes Jahr lang schon, dass sich der Rückgang der Arbeitslosen sukzessive verringert." Jetzt ist man ins Plus gedreht.

Wie geht es weiter?
"Wir gehen davon aus, dass das nur eine vorübergehende Eintrübung am Arbeitsmarkt sein wird", sagt der Arbeitsmarktökonom. Die Schätzungen für die nahe Zukunft sind verhalten positiv: Laut Prognosen werde die Wirtschaft im zweiten Halbjahr wieder wachsen. "Insgesamt wird das Wachstum schwach sein, aber 2024 wieder stärker", so Eppel.
Als Arbeitslose gelten nach den Definitionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) jene Personen, die nicht erwerbstätig sind, innerhalb von zwei Wochen nach der Referenzwoche eine Arbeit aufnehmen können und während der Referenzwoche und den drei Wochen davor aktiv nach Arbeit gesucht haben, oder bereits eine Jobzusage haben und diesen Job in maximal drei Monaten antreten. Die Arbeitslosenquote nach internationaler Definition ist der Anteil der Arbeitslosen an den Erwerbspersonen (Erwerbstätige und Arbeitslose), jeweils im Alter von 15 bis 74 Jahren.
Arbeitslose und Arbeitslosenquoten können unter anderem nach Geschlecht, Alter, Bildung, Staatsangehörigkeit und regionalen Merkmalen dargestellt werden. Auch die Dauer der Arbeitslosigkeit, Merkmale der letzten Erwerbstätigkeit sowie Zeitreihen werden angeboten.
Auch Babyboomer helfen der Statistik
Die äußerst positive Nachricht: Der Arbeitsmarkt erweist sich immer noch als robust. "Er reagiert nur gedämpft auf die Konjunkturschwäche." Das hat mit jenem Phänomen zu tun, das seit Monaten die Schlagzeilen beherrscht: "Es hat eine außergewöhnliche Nachfrage am Arbeitsmarkt gegeben. Das waren Nachholeffekte nach dem Ende der Pandemie." Viele Betriebe hätten gleichzeitig Personal gesucht. Weil es so schwer sei, neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu finden, seien die Betriebe zurückhaltend, was Kündigungen anlangt. "Dazu kommt, dass das Arbeitskräfteangebot nicht mehr so stark wächst wie früher." Die Babyboomer gehen in Pension - die weniger geburtenstarken Jahrgänge, die jetzt auf den Arbeitsmarkt kommen, bieten allein zahlenmäßig weniger ausgebildetes Personal.

Alles gut? Jein
Die Zahl der offenen Stellen wird sich relativieren, sagt Eppel. "Wir haben immer noch eine hohe Zahl der offenen Stellen, das ist aber rückläufig." Generell sieht er keine grobe Verschlechterung am Arbeitsmarkt (weil die Konjunktur wieder anziehen soll). Aber: Auch, wenn Eppel Besserung am Horizont sieht: Die Arbeitslosenzahlen seien seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 weiter hoch: Im April 2008 lag die Zahl bei 259.538 Arbeitssuchenden. Im April des heurigen Jahres waren es 71.618 Personen mehr.
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