Jahresendrallye oder Enttäuschung? US-Zinspolitik und ihre Folgen
Die begonnene Börsenwoche wird zeigen, ob die bislang stockende Jahresendrallye in Schwung kommen wird. Neue Impulse erhoffen sich Anleger vor allem von der Zinsentscheidung der US-Notenbank und der anschließenden Pressekonferenz mit Fed-Chef Jerome Powell.
„Die Fed wird den Leitzins wohl erneut senken“, sagte Christian Henke, Analyst vom Broker IG. Aber die Frage sei, wie die zinspolitischen Aussichten für 2026 seien. Der Zinsoptimismus der Anleger nach schwachen US-Konjunkturdaten beflügelte in der alten Woche die Aktienmärkte dies- und jenseits des Atlantiks: Der Dax legte bis Freitagnachmittag auf 24.058 Punkte zu und notierte damit rund ein Prozent über dem Vorwochenschluss.
Nach Daten der CME Group gehen die Marktteilnehmer derzeit von drei Zinssenkungen im kommenden Jahr aus. „Einerseits schaut die Fed derzeit mehr auf den sich abschwächenden Arbeitsmarkt als auf den Inflationstrend, andererseits wird mit Kevin Hassetts voraussichtlicher Ernennung zum künftigen Fed-Chef Donald Trumps Einfluss auf die US-Notenbank noch größer als bisher“, erläutert Robert Greil, Chefstratege bei der Privatbank Merck Finck, mit Blick auf den Wirtschaftsberater im US-Präsidialamt.
Zielkonflikt bei der US-Notenbank
Ob die Fed Anlegern mit einer Zinssenkung tatsächlich ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk macht, ist mit Blick auf die hartnäckige Inflation in den USA allerdings unsicher. So könnte die Notenbank entweder den Startschuss für eine Rally geben oder 2025 mit einer herben Enttäuschung enden lassen. „Man ist sich in der Fed aktuell nicht einig, ob der Fokus auf die erhöhte Inflation oder den schwachen Arbeitsmarkt gelegt werden soll“, stellte Gunter Deuber fest, Chefvolkswirt der Raiffeisen Bank International.
Das duale Mandat der Notenbank aus Preisstabilität und Vollbeschäftigung führe aktuell zu einem Zielkonflikt. Da die Inflation infolge der Zollpolitik von US-Präsident Trump aber bisher geringer ausgefallen sei als erwartet, dürfte eine Zinssenkung das wahrscheinlichere Szenario sein, so Deuber.
Die Anleger verunsichere auch die Tatsache, dass der teilweise Stillstand der US-Verwaltung die Veröffentlichung mehrerer US-Konjunkturdaten verzögert hat, sagt Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners. „Es ist heute bereits der dritte erste Freitag im Monat, an dem keine US-Arbeitsmarktdaten veröffentlicht werden.“ Die Zahlen für September wurden zwar nachveröffentlicht, der Bericht für Oktober fällt jedoch voraussichtlich aus. „Für die November-Werte müssen sich Anlegerinnen und Anleger noch bis zum 16. Dezember gedulden“, sagt Altmann.
Nähere Hinweise für den geldpolitischen Kurs der Federal Reserve im ersten Halbjahr 2026 erhoffen sich Börsianer aus Powells Aussagen am Mittwochabend. Ob die Weihnachtsrally danach Fahrt aufnimmt, bleibe jedoch abzuwarten. „Saisonal ist der Dezember nicht der beste Monat im Schlussquartal“, warnt IG-Analyst Henke.
Für das kommende Jahr gehen die Anleger von drei weiteren Zinsschritten aus, schrieb Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets. Sie dürften also vor allem beim geldpolitischen Ausblick der Fed genau hinhören. Die weitere Geldpolitik dürfte dabei auch vom neuen Chef der US-Notenbank abhängen.
Für den scheidenden Jerome Powell könnte im Mai der Trump-nahe Kevin Hassett übernehmen. Robert Greil, Chefstratege der Privatbank Merck Finck, rechnet in der Folge mit einem noch größeren Einfluss des US-Präsidenten auf die Fed. Und da Trump eher weitere Leitzinssenkungen in Richtung zweieinhalb anstatt der vom Markt erwarteten etwa drei Prozent im nächsten Jahr anpeilt, könnte das für noch etwas mehr als die erwarteten drei Leitzinsschritte nach unten sorgen.
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